ELBRIOT 2022 – Der Neustart (20.08.2022)

Was für ein Schreck, als 2019 angekündigt wurde, es sei das letzte ELBRIOT an gewohnter Stelle. Das Elbriot sollte aufgrund der Harry Potter Show und weiterer Auflagen den Platz am Hamburger Großmarkt räumen. Ein neuer Austragungsort war aber noch gar nicht gefunden, so hieß es jedenfalls vor der Covidkrise vom Veranstalter. Dabei war das Elbriot doch seit 2013 mit ca. 10.000 – 12.000 Besuchern eine feste Größe innerhalb der Metalwelt geworden. Ich selbst hatte das große Vergnügen vom Anfang bis zum vorzeitigem Ende dabei gewesen zu sein, und sah damit auch, wie schwierig es ist, in Hamburg überhaupt etwas in der Größenordnung auf die Beine gestellt zu bekommen. So wurden die Anfahrtswege gefühlt jedes Mal länger für die Fans und es gab immer wieder verrückte Auflagen, die meines Erachtens bei einem 1-Tages-Festival absolut überzogen sind. So war es bis 2019 noch so, dass das Programm gegen Mitternacht endete, in diesem Jahr dann – sozusagen zum Neustart – war dann nur noch bis 22:00 Uhr Showtime. Bullet for my Valentine starteten als Headliner also heute bereits um 20:45 Uhr.

Man könnte nun alle einzelnen Punkte herunterbeten, die einmal besser waren bis 2019, aber wer die vergangenen zwei Jahre nicht in einem Schrank verbracht hat, der weiß genau, was für ein Kraftakt hinter diesem gewagten Neustart stehen muss. Es gab in den vergangenen Monaten diverse Konzertausfälle, begründet mit Personalmangel, Kosten und in letzter Zeit ganz ehrlich oft eben auch einen jämmerlichen Vorverkauf. Es war also ein gewagtes Unterfangen hier auf der Platte am Großmarkt überhaupt wieder etwas zu wagen. So musste die Bühne gedreht werden um Nachbarn nicht zu stören, Lärmschutz und diverse weitere Improvisationen waren deutlich sichtbar. Aber ganz ehrlich: Das Team um den Veranstalter Hamburg Konzerte herum, hat letztendlich doch ein kleines Wunder vollbracht.

Am Vortag hatte auf der Bühne noch Fury in the Slaughterhouse einen Auftritt und die Stage war somit bereits „zugeritten“. Leider war der Graben etwa drei Meter zu schmal für ein Metalfestival, so dass es für Crowdsurfer, Ersthelfer, Security und Fotografen recht knapp wurde mit dem Platz. Wer im Publikum in der ersten Reihe stand, konnte fast nur hoch an die Decke der Bühne schauen, da auch der Blickwinkel etwas gewöhnungsbedürftig war. Wie aber eingangs erwähnt, diese kleinen Schönheitsfehler sind albern im Vergleich zur Leistung die geboten wurde! Dankbar darf man sein, etwa für die Security von U-Need, die seit Beginn des Elbriot Festivals dabei ist und immer genau weiß, was sie tut. Auf vielen anderen Festivals werden die Berichterstatter/Fotografen eben nicht als Mitarbeiter des Ganzen wahrgenommen, die ihrem Job ebenfalls nachgehen und für die nötige Werbung des ganzen Betriebes sorgen. Hier allerdings erfahren wir Jahr für Jahr ein Miteinander zwischen Sanitätern, Security und Presse. Ich  erwähne diesen Umstand, da gerade oft auch bei anderen Hamburger Veranstaltungen, etwa in Clubs an der Meile, die Security tatsächlich jeden Gig zu einer Vollkatastrophe verwandeln kann. Hier nun endlich wieder Fachleute, die auch beim Wacken Open Air im Einsatz waren.

Es war wirklich ein Bombenwetter an diesem Samstag in Hamburg. 24 Grad im Schatten entpuppen sich aber ohne Wind dann doch eher zu gefühlten 30 Grad.  Der Start erfolgte pünktlich 12:50 Uhr mit OUR MIRAGE, die es wirklich schafften, die Fans schon um diese Uhrzeit einzustimmen bzw. abzuholen. Eine frische junge Band, die bereits schon einmal den Opener beim Elbriot machen durften. Es ging von jetzt ab an Schlag auf Schlag und es kam keinerlei Langeweile auf. KISSIN‘ DYNAMITE boten eine grandiose Show, wie wir zuletzt beim Wacken Open Air erleben durften. Es gab von Beginn an auf dem Festival einen Spannungsbogen, der von jeder Band getragen wurde. So gingen die Metalheads bereits bei Kissin‘ Dynamite schon in den Crowdsurfermodus über.

Weiter geht es mit CALIBAN, eine Band, die ich persönlich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr live gesehen habe. Es war allerdings, als wären sie niemals weg gewesen. Die aus Hattingen kommende Metalcore-Band legt hier einen ziemlichen Abriss hin. Das Publikum liebt die Band und lebt deren Slot hier am Hamburger Großmarkt komplett mit – dies auch ziemlich textsicher. Wie sollte es anders sein, nun kommen auch die ersten Circle Pits und eine Wall of Death direkt vor dem „Catwalk“ der Bühne, auf dem es sich Frontmann Andreas bequem gemacht hatte. Auf der Tour hatte er sich das Knie verletzt, insofern ließ er es heute ruhiger als gewöhnlich angehen. Bei der Top-Songauswahl war die Performance eh nebensächlich. Auch die Covernummer „Sonne“ von Rammstein gab es auf die Ohren und das konnte ja fast jeder mitsingen.

Jo und wat nu? Eine dicke große gelbe 3 Meter-Ente steuerte auf uns zu. Na klar, ALESTORM hatten tatsächlich wieder das Wappentier aller Badewannenfans aufgepustet und brachten ihre Stücke zum Besten. Es gab „Folk-Rock-Trinkhallen-Piraten-Metal“ der mit dem entsprechenden Bierchen in der Hand ordentlich abging. Auch hier wieder eine Mischung aus Circle Pits, Crowdsurfern und  Mitgröhl-Momenten. Unfassbar, mit welcher Leichtigkeit diese Band den Besuchern den Spaß geradezu reinprügelt. 

Festivalmitte erreicht und es wehte die gelbblaue Flagge der Ukraine im Publikum. Die Stunde von JINJER war gekommen. Auch hier wieder Metalcore, der von Song eins ab an in die Vollen geht. Brachial und melodisch kann Frontfrau Tatjana einem die Ohren wegkloppen. Sie hat mit Jinjer mittlerweile Augenhöhe mit vielen anderen Frontfrauen dieses Genres erreicht. Auf der Bühne bewegte sich nun auch deutlich mehr – hier wurde gesprungen und getanzt und gegrowled. Erstaunlich, wie Jinjer sich im Laufe der Zeit bei ihren Livegigs gesteigert haben.

Ok, nun aber eine Band, die mir bisher null bekannt war. Nach Jinjer und Caliban im Metalcore-Bereich war ich innerlich (vielleicht etwas voreilig) auf Heavy Metal eingestellt, da ich bereits Accept im Auge hatte. Was nun aber kam, war mein absolutes Highlight des Elbriot 2022. Mit FEVER 333 traten einfach alle Regeln außer Kraft. Keine Ordnung mehr, keine Schwerkraft, kein Bühnenbau, keine Technik. Fever 333 haben alles zerlegt, was sich der Show in den Weg stellte. Keine zwei Minuten und die Monitorboxen wurden hochkant aufgestellt, das Micro war im Eimer und die erste Reihe im Publikum stand mit offenem Mund da. Es war endlich wieder eine Show, wie ich sie seit Jahren vermisse. No Fear, no Rules! Die Techniker waren wie Ameisen nur damit beschäftigt Kabel zu entwirren und abgerissenes und zerklopptes Equipment zu ersetzen. Wie ein Band-Trio so ein Chaos anrichten kann, ist unbegreiflich. Frontman Jason war stets im Auge der Sanitäter, da er mit brutalen Saltos und Sprüngen Energie ohne Ende rausließ. Wer mal schauen möchte, wie krass diese Band live abgeht, der muss sich einfach mal eine ihrer Shows auf Youtube reinziehen und am Besten live bei einem ihrer Gigs dabei sein.  Einfach für mich die beste Darbietung des Tages, Fever 333 hinterlassen nicht nur Bilder auf meiner Kamera, sondern auch Bilder in meinem Kopf und der Musikstoff – ebenfalls aus dem Core, tat seines hinzu. Geil, geil, geil! Diese Typen will ich wiedersehen!

Nach etwas längerer Bühnenwiederherstellung kamen dann endlich ACCEPT. Es tat gut, die Band genauso fit zu sehen, wie man es sich wünscht. Eine Band, die genau das liefert, was bestellt wird. Klassikersongs aus dem Heavy-Metal, die man sofort erkennt, da man sie in den vergangenen 50 Jahren mit Sicherheit gehört hat. So spulen Accept nicht einfach nur ab, sondern erweisen den Fans wirklich das Beste, was ein Gig hergeben kann. Geniale Riffs, feine Solis und Gesang – alles passt. Die „älteren Herren“ wissen eben wie es geht. Es wirkte insgesamt wie eine Veredelung, bei der man ganz vergaß, dass dieser Band einmal fast das Herz herausgerissen wurde. Ob nun auf  dem W:O:A oder heute hier auf dem Elbriot, sie liefern ab und man ist live eben immer viel näher dran als am Plattenteller Zuhause. 

Den Abschluss des Elbriot 2022 machten dann BULLET FOR MY VALENTINE. Ich habe die Band einige Male erleben dürfen. Auch hier macht es wirklich Spaß zuzusehen bzw. zuzuhören, wie die Band sich stetig weiterentwickelt. Auch hier geht es querbeet durch die Alben und man liefert dem Kraken-Publikum Songs, die komplett durchgesungen werden. Das Crowdsurfen erreichte mit Bullet for my Valentine den Höhepunkt und mit dem Headliner als Abschluss gab es für den Ticketpreis des Elbriots auch die volle Rechtfertigung. 64,00 EUR gab man in diesem Jahr für das Ticket aus und erhielt dafür acht hammergeile Bands, Abwechslung in den Genres und tolle Bühnen-Shows. Für mich ein würdevoller Abschluss und zugleich ein toller Neuanfang des Elbriot Festivals.  Als Fazit würde ich sagen, es war für wirklich jeden etwas dabei.

Berichterstattung / PhotoCredits: Dirk Jacobs 

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