HERZBERG FESTIVAL – Endlich tanzte man wieder zu Füßen der Burg (28.07.-31.07.2022)

All together, Now! Treffender kann ein Festivalmotto nach Corona-Zwangspause gar nicht sein, denn alle waren sie wieder da – beim HERZBERG FESTIVAL, zu Füßen der Burg Herzberg. Die Hippies, die Bands, Händler, Müßiggänger und natürlich auch die Mäuse, welche allgegenwärtig herumhuschen, schließlich handelt es sich beim dem Veranstaltungsort und Campinggelände um abgeerntete Felder, welche umgeben von den Wäldern eine traumhafte Kulisse abgeben.

Es gibt nur wenige Festivals, die solch eine Vielfalt an Unterhaltung bieten. Einfach mal im Lesezelt abhängen und lauschen, wie z. B. Ax Genrich aus seiner bewegten Biografie vorliest oder Autoren wie Oliver Uschmann etc. aus ihren Werken rezitieren. Aber auch der Gitarrenlehrer der Nation, Peter Bursch, findet den Weg ins Lesezelt. Jedoch liest er nichts vor, stattdessen hält er einen Ukulele Workshop ab und mit den kleinen Instrumenten findet man hier einen schattigen Unterschlupf. Sein Gitarrrenkurs hingegen benötigt jedoch den großzügigen Platz vor der Freakstage.

Neben zahlreichen Workshops, die man je nach Lust und Interesse belegen kann, sticht wieder einmal mehr das Kinderland heraus. Das dieses ist eine echte Herzensangelegenheit der Veranstalter  ist, fällt sofort ins Auge, wenn man sieht, wie liebevoll und abwechslungsreich hier Spielgeräte aufgebaut sind und sich zahlreiche Betreuer um die Kinder kümmern. Freak City bietet halt Unterhaltung für alle Generationen.

Ähnlich abwechslungsreich fällt das kulinarische Angebot aus. Tolles Essen aus aller Herren Länder lässt hier keine Wünsche offen und es gibt sicherlich das eine oder andere Gericht zu entdecken, das man vielleicht noch nie zuvor gegessen hat. Wenn auf anderen Festivals die Preise teils explodiert sind, gibt es hier nur moderate Anpassungen.

Doch kommen wir zur allgegenwärtigen Musik. Viele Besucher haben ihre Instrumente mitgebracht und so finden schon in der Neuen Heimat (Campingarea) zahlreiche kleinere Sessions statt. Auch die Freak City bietet diverse Open Stages oder spontane Konzerte wie zum Beispiel am Pizzastand.

Bei der Fülle an Konzerten gibt es wie immer zahlreiche Überschneidungen, so dass es ratsam ist, sich zuvor einen Plan zurechtzulegen, was man auf keinen Fall verpassen möchte. Sicherlich kann man sich auch einfach treiben lassen und von Stage zu Stage wandern, jedoch bevorzugen wir es, ein Konzert in Gänze zu genießen, als nur zwei oder drei Impressionen zu verschaffen.

In der Freak City befindet sich seit einigen Jahren auch der „Höllenschuppen“. Hier treten fast ausschließlich Spacerock Bands an und nehmen einen mit auf eine Reise in unendliche Weiten. Neben den zahlreichen Jam-Sessions traten dieses Jahr unter anderem die Spacelords, Weltraum, Grombira, Space Invader auf. Nicht wenige Besucher des Festivals verbringen ihre Zeit ausschließlich hier.

Neben dem bereits erwähnten Lesezelt befindet sich in unmittelbarer Nähe die Mental-Stage. Überwiegend spielen hier noch recht unbekannte Bands, wie z. B. die Bloodflowers, My Little White Rabbit, Romie, Bölter und viele weitere spannende Entdeckungen, aber auch ein Urgestein, der unkaputtbare Klaus der Geiger, hat hier dieses Jahr seinen Platz gefunden. Wieder einmal erweist er sich als aufmerksamer Beobachter, der besonders die Lockdownbestimmungen mit der einhergehenden Bedrohung der Kulturszene scharfzüngig musikalisch kommentiert.

Deutlich bekanntere, aber noch weit genug vom Mainstream entfernte Musiker findet man auf der Freakstage. Hier haben auch schon die Blues Pills und Kadavar, welche dieses Jahr zum wiederholten Male auf der Hauptbühne stehen, ihre Herzberg-Feuertaufe gegeben. Neben den Free Jazzern Killing Spree, über Retrobands wie Heavy Feather, Space Debris, Monkey 3 etc., den Urgesteinen von Epitaph und vielen anderen tollen Bands, stachen in diesem Jahr besonders Kai und Funky hervor. Die beiden Originalmitglieder der Ton Steine Scherben zelebrierten zusammen mit dem Nürnberger Liedermacher Gymmick zahlreiche Rio Reiser und Scherben Songs. Unglaublich, wie nah Gymmick dabei an die Stimme von Rio kommt. Dies scheint sich im Vorfeld bereits herumgesprochen zu haben, denn die Wiese vor der Freakstage ist gut besucht und fast alle können die Klassiker textsicher mitsingen. Der Traum ist also noch lange nicht aus.

Erst recht nicht auf der Mainstage. Die Band, auf welchen wir uns am meisten im Vorfeld freuten, treten bereits am Donnerstag an, um ihre Heavy Psych Klänge über das Herzberg Gelände zu schicken. Die New Yorker King Buffalo ziehen einen schnell in ihren Bann, so dass der Anreisestress inklusive Wartezeiten am Campingplatz (Mist, Guru Guru und Lazuli verpasst) schnell vergessen sind. Ein perfekter Abschluss für den ersten Festivaltag.

Am Freitag geht es hier weiter mit dem Zypriotischen Weltmusikern Monsieu Doumani und der irischen Singer Songwriterin Wallis Bird. Die Künstler sind ein weiterer Beleg für die musikalische Bandbreite des Herzberg Festivals. Deutlich heavyer geht es später bei Spidergawd zur Sache. Mit ihrer Interpretation des Blues-, Stoner-, Psychedelicrock rütteln die Trondheimer das Publikum ordentlich durch.

Richtig voll vor der Bühne wird es dann anschließend bei Bukahara. Sie entpuppen sich langsam als Haus- und Hofband für das Hippiefestival.  Dabei repräsentieren sie besser als kaum eine andere Band die Vielfalt, für welche das Festival steht, stammen die Musiker doch aus so verschiedenen Kulturkreisen wie Palästina, Deutschland, der Schweiz und Tunesien. Zwei noch unveröffentlichte Songs werden genauso abgefeiert, wie der deren ultimativer Live-Höhepunkt „Eyes white shut“. Vor ihrer Lebensfreude hatte wohl selbst Petrus Respekt, endet doch kurz vor Bukahara´s Auftritt der dreistündige Regenschauer. Siena Root beschließen danach mit ihrem Retrosound einen tollen zweiten Festivaltag.

Am Samstag lassen dann Efterklang mit ihren Indie Rock Tönen das Publikum träumen. Der Wettergott ist nun endgültig ein Hippie, zeigt er sich doch während der letzten beiden Festivalseite von seiner besten Seite und beschert uns Temperaturen um die 25 Grad bei strahlendem Sonnenschein!

Weiter geht es mit den New Wave Folkpunkern von New Model Army. Wahnsinn, auf wie viele Hits Justin Sullivan und seine Mitstreiter zurückgreifen können. Aber auch Songs neueren Datums fügen sich sehr gut in ihre Setlist. Schön, dass die Band nach über vierzig Jahren immer noch relevant ist, ein klasse Gig!

Bereits zum dritten Mal sind die Wahl-Berliner von Kadavar am Start. Wer alle drei Konzerte auf dem Berg gesehen hat wird schnell feststellen, wie sich die Band weiterentwickelt hat. Gerade ihre letzten beiden Platten und die Kollaboration mit Elver (als Eldovar) haben dem ganzen einen gehörigen Touch Psychedelic verpasst, was dem Klangbild sehr gut tut. Toller Sound und ein perfekt aufeinander abgestimmtes Trio. Großartig, wir sind gespannt, was da noch kommen wird! Doch zunächst kommen noch Orange, um mit ihrem Mix aus World Beat, Tribal Dance, Fusion, Electro und Percussion den Festivalsamstag zu beenden.

Sonntag geht es dann mit Yvonne Mmwale und ihrem World Jazz in den letzten Festivaltag hinein, gefolgt von Djazia Satour, welche uns in arabische Welten entführt. Gespannt war man auf den Auftritt der britischen Newcomerin Rosalie Cunningham, die gerade ihren zweiten Lonplayer mit im Gepäck hat. Rock, Pop, Prog? So richtig lässt sich Rosalie in keine Schublade stecken und das ist auch gut so. Auf jeden Fall ein spannender Auftritt – jederzeit gerne mehr.

Eigentlich sollte das Devin Allman Project den Sonntag als Headliner beschließen. Leider mussten sie kurzfristig absagen, was dann aber den Weg für die sympathischen Blues Pills ebnete. Blues Pills und Hippiefestival, dass passt einfach wie „Arsch auf Eimer“. Voller Spielfreudebringen sie ihre Interpretation des harten, psychedelischen Bluesrock mit einem Hauch von Soul auf die Bühne. Erstaunlich, wie gut Elin singen kann obwohl sie nahezu während der kompletten 90 Minuten über die Bühne rennt und springt.

Nach vier Tagen schließen Groundation mit ihrem Reggae-Jazz Mix das diesjährige Burg Herzberg Festival auf der Mainstage gebührend ab und schicken einen so langsam zurück aus der Traumwelt in den Alltag. Für uns war es wieder einmal eine wunderschöne Zeit, eine Auszeit, ein paar Tage die Seele baumeln lassen, sich treiben, gute Musik, gutes Essen und alles voller Liebe und ein Platz der Liebe. Nächstes Jahr sehen wir uns dann wieder auf dem Berg: Die Hippiefamilie, die Künstler, die Händler und ja, natürlich auch die Herzbergmäuse. All together, Now!

Berichterstattung: Oliver Niklas u. Monika Timm

PhotoCredits: Oliver Niklas

 

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