BLACK SABBATH- Warum der Abschied so wichtig ist
„Was ist das?“ fragt mein kindliches Ich meinen Vater, mit dem ich Auto fahre. Ein seltsames Klopfen, gefolgt von einem schwingenden Geräusch, während eine Computerstimme „ I am Iron Man“ spricht, flutet die Autoboxen, während mein Vater mich ansieht und anlächelt, als hätte ich einen uralten Schatz gefunden. „Das sind Black Sabbath“ höre ich ihn noch ehrfürchtig sagen, ehe das Gitarrenriff meine Welt für immer verändern sollte.
An dieser Stelle könnte ich jedes Album aufzählen, verschiedene Stationen meines Lebens einzelnen Songs zuordnen oder einfach nur eine epochale Lobeshymne auf Tony Iommi schreiben, dessen Riffs mein Leben für immer bereichert haben. Auch könnte ich über den irren Ozzy schwärmen, der bei einem Konzert einer Fledermaus den Kopf abgebissen hat und dessen Stimme gemeinsam mit Zakk Wyldes (und natürlich Randy Rhoads) Riffs fester Bestandteil meines Lebens ist. Das überspringe ich alles, denn ich bin mir sicher, dass es vielen da draußen ähnlich geht wie mir. Ich hatte das Glück und konnte die Band in unterschiedlichen Besetzungen live sehen. Auch wenn Black Sabbath einige Sänger am Start hatten, so begann doch alles in der Originalbesetzung mit Bill Ward, Geezer Butler, Ozzy Osbourne und Tony Iommi in Birmingham. Am 5. Juli 2025 wurde dort (unter enorm großem Aufwand und Hype) das letzte Konzert einer Legende veranstaltet.
Finale Konzerte großer Legenden gibt es leider mehrere und verlieren daher ihre Bedeutung; die letzte große Kiss Tour ist dabei ein Running Gag und wenn sich eine Band verabschiedet, so soll sie doch bitte für immer von der Bildschirmfläche verschwinden, oder? Black Sabbath hatten ebenfalls eine Tour hinter sich, die mit „The End“ Bände sprach. Grund dafür war der Gesundheitszustand von Tony Iommi, dessen (zum Glück geheilte) Krebserkrankung und Ozzys Gesundheit ein ausuferndes Touren unmöglich machten. Als das „Back to the Beginning“ Konzert angekündigt wurde, hätte man das Gleiche vermuten können, wie es bei anderen Farewell Touren gehandhabt wird; vor der endgültigen Bühnenrente nochmal schnell die Taschen mit Geld vollstopfen, um sich dann im Ruhm vergangener Tage zu sonnen. Ozzys Managerin Sharon Osbourne und Tony Iommi hatten da einen anderen Ansatz: noch einmal alles in die Waagschale werfen und eine riesengroße Rockparty veranstalten, ehe der letzte Vorhang endgültig fällt. Die Liste der auftretenden Bands liest sich dabei wie ein feuchter Traum der Rock und Metal Hall of Fame. Im Fokus standen neben Black Sabbath auch Ozzy, dessen Lebensstil nun seinen erbarmungslosen Tribut forderte. Wenn selbst Rocklegende Lemmy schon sagt, dass Ozzys Partywut ihm zu extrem ist, dann will das schon etwas heißen; doch hinter dem gebrechlichen Körper verbirgt sich immer noch jener schalkhafte Charakter, der die Menge zum Toben bringt, und mit seinem „God bless you aaaaaaaall!“ Generationen von Musikern geprägt hat. Allein die Tatsache, sich in diesem Zustand noch einmal auf die Bühne zu trauen, verdient alleine für sich schon Respekt.
Was macht dieses Konzert so besonders? Das Billing spricht schon allein Bände, aber es sind vielmehr die kleinen Ereignisse und Worte zwischen den Zeilen, die hier zu Tränen rühren und das Herzblut deutlich werden lassen. Da verliert mal eben der Slipknot Drummer backstage die Fassung, weil er Bill Ward leibhaftig live bewundert hat, der ihn in seiner Jugend so sehr geprägt hat. James Hetfield liefert mit seiner Ansage „Ohne Black Sabbath würde es Metallica niemals geben!“ ein klares Statement ab. Steven Tyler (Aerosmith) überrascht mit seinem unangekündigten Auftritt, während Slayer einerseits einen verbalen Kniefall vor Sabbath aufführen, ehe sie mit ihren Schwergewichten (z.B. „Angel of Death“) das Stadion in eine infernalische Moshpit verwandeln. Jason Momoa (Aquaman) kündigt mal eben Pantera auf der Bühne an, ehe er in die Menge springt, um zu „Cowboys from Hell“ gemeinsam mit allen anderen Fans hemmungslos durchzudrehen. Weltweit sind viele Musiker aus unterschiedlichen Rock- und Metalsparten angereist, um als Gäste dabei sein zu können, wenn eine Legende noch einmal abliefert und backstage macht Sid Wilson (Slipknot) Kelly Osbourne einen Heiratsantrag.
Den Gig selbst muss ich gar nicht im Detail beschreiben, darüber gibt es bereits viele Videos und Artikel im Netz. Allerdings möchte ich 2 Dinge hervorheben, die mich in meinen Grundfesten erschüttert haben: Ozzy tritt in einem (liebevoll gestalteten) Thron auf und unterstreicht, dass er mit jedem Atemzug seines geschundenen Körpers die Musik l(i)ebt! Zweitens: die Rock-/Metalgemeinde lebt vom rebellischen Gedanken, sein eigenes Ding durchzuziehen und gleichzeitig liebevoll und respektvoll untereinander (und miteinander) umzugehen. Neben den emotionalen Beiträgen in den sozialen Medien und den von Herzen kommenden Ansagen der beteiligten Bands ist Zakk Wylde ein gutes Beispiel, der während des gesamten Auftritts ein wachsames Auge auf Ozzy geworfen hat, ihn bei den Vocals unterstützt hat und wie ein Bruder auf ihn geachtet hat. Das spiegelt sich im Zusammenspiel auf der Bühne wider und verleiht dem tränenreichen Moment, in dem Ozzys Stimme mit den Emotionen bei „Mama I´m coming home“ zu kämpfen hat, mehr Gewicht. In diesem Moment ist genau das am besten sichtbar, was ich bereits mein Leben lang auf Konzerten und Festivals erlebt habe: der Zusammenhalt jener Menschen, deren Musikgeschmack verbindet und als (ehemalige Außenseiter-) Familie zusammenschweißt. Fernab von profitgeilen Massenveranstaltungen und digitalen Followerzahlen ist dieses Abschiedskonzert von Black Sabbath so wichtig, weil es den Grundgedanken des Rock´n Roll und der Metalgemeinde widerspiegelt. Vielleicht haben wir mit diesem Woodstock des Metal nicht nur den Abschied von Ozzys Bühnenpräsenz, sondern auch das Ende einer Ära erlebt, in der sich große Bands vergangener (und präsenter) Tage einmal versammelt haben. Etwas endet, macht Platz für die Jugend und etwas Neues beginnt; so ist nun mal der Lauf der Welt. Auch wenn ich diesen Moment „nur“ digital erleben konnte, so wurde hier ein langfristiges Vermächtnis hinterlassen, an das man sich noch sehr lange erinnern wird.
Sebastian Radu Groß
Eine vollständige Analyse der kompletten BLACK SABBATH Biographie könnt ihr in meinem aktuellen Buch „Pitwalker- Tagebuch eines Headbanger Nerds“ nachlesen. Das Buch ist kostenlos erhältlich und kann hier runtergeladen werden: https://www.radunator.de/pitwalker/