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Der „MASKENBALL“ von HÄMATOM im Amphitheater Gelsenkirchen (31.08.2019)

15 Jahre HÄMATOM – das sind 15 lange Jahre einer Band, die im Jahre 2004 in einem fränkischen Proberaum das Licht der Welt erblickte. 15 Jahre, in denen Kritik und Selbstzweifel, Niederschläge und Enttäuschungen den Gedanken an eine Aufgabe aufkeimen ließen, jedoch von Mut, Ehrgeiz und dem Willen, seinen eigenen Weg zu gehen, diesen auf Umwegen nach oben führte. Und nun zum 15. Geburtstag der Maskenrocker war es soweit – mit dem MASKENBALL haben die vier Himmelsrichtungen von HÄMATOM im Amphitheater in Gelsenkirchen ihren Geburtstag gefeiert.

Los ging es schon am Freitagabend mit einem Warm-Up Konzert für die ersten 1500 Kartenbesteller. Bei schönstem Spätsommerwetter wurde die kleine Bühne auf der oberen Ebene des Geländes auf Herz und Nieren geprüft, denn die Band sowie ihre Fans verstehen es zu feiern. Zum Aufwärmen kamen die Jungs von KAIZAA zum Einsatz, die schon auf der letztjährigen „Bestie der Freiheit“-Tour ihrer Freunde von HÄMATOM ihr Debüt gegeben haben und dort schon zu überzeugen vermochten. Und auch in Gelsenkirchen wurden KAIZAA herzlich empfangen, konnten sie auf der letztjährigen Tour doch einige Fans gewinnen, die heuer wieder mitfeierten und viele Songs der Mini-CD ,Volle Ladung Leben` und des anstehenden Debüt-Albums ‚Schrottplatz der Liebe‘ schon textsicher mitsangen. Der geradlinige Punk n’ Roll des Nürnberger Quartetts mit eingängigen Melodien und flottem Rocksound eignet sich zum Bogen, Bangen und Mit-Oh-Oh-en, und das haben sich die versammelten Fans auch nicht zweimal sagen lassen, denn mit ,L.A. ist überall‘, ‚Superstars‘ und ‚Underdogs‘ hatten die Jungs um Sänger Markus ein paar Ohrwürmer mit dabei und spätestens bei der PRINZEN-Coverversion ‚Alles nur geklaut‘ war das Feuer entfacht und die Anwesenden auf Betriebstemperatur!

Auch wenn dieser schöne laue Sommerabend mittlerweile der Dämmerung zu Opfer fiel, kalt wurde es nicht, den nach einer kurzen Pause kamen schon die Gastgeber HÄMATOM auf die Bühne um direkt mal richtig loszulegen. Aber man kennt die Herren nicht anders! Im Vorfeld bat die Band ihre Fans um die Nennung ihrer Lieblingssongs, damit eine bunte Playlist aus dem Schaffenswerk für den MASKENBALL präsentiert werden konnte, die sich über beide Tage verteilte. Auch beim Warm-Up spielten die vier Himmelsrichtungen eine Setlist, die ältere Stücken und auch Songs des an diesem Tage erschienen Jubiläumsalbum mit dem selben Titel ‚MASKENBALL‘ enthält. Ein Highlight des Abends war definitiv die neue Version ihres alten Songs ‚Alte Liebe rostet nicht‘, die als Akustik-Ballade im Mai als Single-Auskopplung einen Ausblick aufs neue Album zu geben vermochte. Als Überraschungsgast kam Micha Rhein von IN EXTREMO auf die Bühne, um NORD als Duett-Partner zu begleiten. Nach einer kurzen Pause, in der die Fans nach Zugabe riefen, die Zugaberufe jedoch schnell von der Titelmelodie der ‚Biene Maja‘ im Keim erstickt wurden, kamen HÄMATOM wieder auf die Bühne. Jedoch im Bühnenoutfit von 2009, mit den damaligen Masken und der begeisterten Feststellung seitens NORD, dass ihm sein weißes Outfit von einst immer noch passt. Jedoch galt es, nicht schon beim Warm-Up alle Energie und Songs abzufeuern, denn am Samstag sollte es erst richtig krachen – und zwar nicht zu knapp!

Der Samstag startete bei schönstem Sommerwetter mit den Münchner Ponyhof-Rockern von APRON. Diese waren vielen HÄMATOM-Fans noch von der ‚Wir sind Gott‘-Tour bekannt. Das Areal vor der Bühne war entsprechend schon gut gefüllt. Auf den Rängen tummelten sich vereinzelte Grüppchen, die in der prallen Mittagssonne dem bunten Treiben auf der Bühne folgten. Konfettiregen und munteres Getröte aus den verteilten „Luftrüsseln“ gehören zu einem APRON-Gig nun einmal einfach dazu. Der deutschsprachige Crossover-Mix des Quartetts kam recht gut an, und bei ‚Gfllt mr ncht mhr‘ musste die Band nicht mehr erst erwähnen, wo das werte Publikum den Gesang zu übernehmen hat.

Die nächste Kombo, die von den Gastgebern eingeladen wurde, hatte wohl den schwersten Stand des Tages. Schließlich kam mit dem FERNANDO EXPRESS ein Trio auf die Bühne, dessen Alben man eher im Plattenschrank der Eltern wiederfindet als im eigenen. Jedoch ist der FERNANDO EXPRESS die erklärte Lieblingsschlagerkombo von HÄMATOM und wurde auch entsprechend euphorisch vom wortlosen Bassisten WEST mithilfe selbstgemalten Schildern angekündigt. Aber Metalfans sind ja bekanntlich tolerant und so haben sich viele der Anwesenden auf das Experiment Schlager meets Metal eingelassen und Sängerin Heidi sowie ihre Mitstreiter freudig empfangen. Es wurde fleißig geschunkelt, die ein oder andere Polonaise zog durchs Amphitheater und sogar die ersten Crowdsurfer haben sich über den Köpfen der Schunkelfreunde ihren Weg zur Bühne gebahnt. Zu ‚Mit dem Albatros nach Süden‘ wurde auch lauthals mitgesungen – eine kleine Hilfe beim Refrain erhielt das Publikum durch WEST, der auf der Bühne mitschunkelte und die Textzeilen wieder als Schilder für die Feierfreunde bereit hielt. Das Trio wurde mit einem lauten Applaus verabschiedet, denn spätestens seit Wolfgang Petri müsste klar sein, dass im Ruhrgebiet immer auch ein Herz für Schlager schlägt.

Nach der Schlagereinlage wurde jedoch wieder Zeit für verzerrten Gitarrenklang und die Frankfurter Punkrocker von SERUM 114 wussten diese auch zu bedienen. Die ehemaligen Labelkollegen der Gastgeber haben kurzfristig den Slot erhalten, da DIE APOKALYPTISCHEN REITER aufgrund eines ernsten Bandscheibenvorfalls ihres Sängers Fuchs sämtliche Liveauftritte vorerst absagen mussten. An dieser Stelle beste Genesungswünsche an Fuchs nach Erfurt. SERUM 114 hatten mit leichten technischen Problemen zu kämpfen, denn Sänger Esche war streckenweise nicht wirklich gut zu hören. Dies hielt den tollkühnen Frontmann jedoch nicht ab, sich kopfüber von der Bühne in die Menge zu stürzen um sich von den Anwesenden für eine Runde durch das Amphitheater tragen zu lassen. Die Coverversionen von ‚Illegale Fans‘ und ‚Killing in the name of‘ kamen ebenso gut an wie SERUM 114s Hommage an die Jugend ‚Wilde Zeit‘.

Folkig-wild weiter ging es mit FIDDLER‘S GREEN, die ebenfalls eine jahrelange Freundschaft mit HÄMATOM verbindet, schließlich kommt die Erlangener Truppe quasi aus der fränkischen Nachbarschaft und teilt sich mehr als eine Erinnerung an gemeinsame Bierrunden nach gemeinsam absolvierten Festivalauftritten. Der Irish Folk Rock der munteren Mannen hob die Stimmung merklich und ließ gefühlt die Sommertemperaturen noch um das ein oder andere Grad steigen, als Songs aus dem aktuelle Album ‚Heyday’ präsentiert wurden oder Klassiker wie ‚The night that Paddy Murphy died‘. Da bei FERNANDO EXPRESS die ersten Crowdsurfer die Belastbarkeit der Security und des Publikums getestet hatten, fühlte sich Geiger Tobi dazu hingerissen, ebenfalls einen Ausflug ins Publikum zu unternehmen. Diesen bestritt er fröhlich weiter fidelnd in einem Greenpeace-Schlauchboot. Die ausgelassene Folkstimmung ist bis in die letzte Ecke der gut gefüllten Location geschwappt und auch auf den oberen Rängen wurde begeistert mitgefeiert.

Als Co-Headliner des Abends mussten sich EISBRECHER nicht mehr wirklich anstrengen um das Publikum zu animieren, schließlich sind die NDH-Veteranen um Front-Alphatierchen Alex Wesselsky seit Jahren unangefochten an der Spitze des NDH. Alex hat in gewohnt charmant-lässiger Manier das Publikum im Griff, dass beim Opener ‚Verrückt‘ wohl den ein oder anderen suchenden Blick auf die Position links auf der Bühne lenkte. EISBRECHER-Mastermind Noel Pix war jedoch durch einen Sturz am Vorabend verletzungsbedingt verhindert und wurde vom Guitartech Dodo würdig vertreten. Souverän moderiert Alex den Auftritt, der den anwesenden Fans eine ausgewogene Mischung älterer Songs wie ‚Antikörper‘ und ‚Prototyp‘ sowie neuerem Material wie ‚Was ist hier los‘. Zu ‚This is deutsch‘ ließ es sich der Frontmann nicht nehmen, sich kurz umzuziehen um den Song standesgemäß in bayrischer Lederhosentracht mit Gamsbarthut zu performen. Wie fast jedes EISBRECHER-Konzert, endete der Auftritt mit dem alten MEGAHERZ-Klassiker ‚Miststück‘ und statt eisig war die Stimmung nun so aufgeheizt, dass die Gastgeber und Jubilare des Abends auf ein perfekt temperiertes Publikum trafen.

Pünktlich zum Sonnenuntergang war es endlich soweit und die Gastgeber HÄMATOM eröffneten mit ‚Anti alles‘ aus dem frisch erschienenen Album das Finale des MASKENBALLs. Untermalt von einer fulminanten Lightshow und getragen von den andauernden Fangesängen war der Band die Rührung und Dankbarkeit ob der Unterstützung ihrer Fans sogar unter den Masken anzumerken. Wie schon am Vortag kredenzten die Franken ihren Fans eine Best-Of-Setlist ihrer 15-jährigen Bandgeschichte. Neue Songs wie die Vorab-Single-Auskopplungen ‚Wir sind keine Band‘ und die neuen Coverversionen ‚Bleib in der Schule‘ von Trailerpark – leider diesmal nicht mit der stimmlichen Unterstützung der Rapper wie zum Auftritt auf dem Wacken – und ‚Da Da Da‘ von Trio. Hierfür kam Alex von EISBRECHER zum Duett mit NORD erneut auf die Bühne. Der QUEEN-Klassiker ‚I want it all‘ musste auch ohne stimmliche Unterstützung Duett-Partner Hansi Kirsch auskommen, was jedoch der Performance keinen Abbruch bereitete, schließlich ist dieser Song fest im Repertoire eines jeden Rockfans und so konnten tausende Stimmen den BLIND GUARDIAN Sänger mühelos ersetzen. Ihrer Passion zum Covern von Stücken aus der privaten Playlist frönten HÄMATOM noch ein weiteres Mal mit Neandertaler der EAV, zu dem wie zu früheren Zeiten als Gorilla verkleidete Komparsen die Bühne unsicher machten. Auch KIDS (2 Finger an den Kopf) von MARTERIA wurde standesmäßig abgefeiert. Zeitgleich stand der Originalinterpret mit CASPER gemeinsam nur wenige Kilometer entfernt in Essen bei einem Open Air auf der Bühne, dass durch ein schweres Unwetter abgebrochen werden musste, da sich eine LED-Wand von der Bühne löste und für fast 30 zum Teil schwer Verletzte sorgte. Die Unwetterfront hielt weiter Kurs auf Gelsenkirchen und sorgte hier für eine kurze Unterbrechung, da Gewitter und Starkregen die Sicherheit auf der Bühne beeinträchtigt hätten. Angesichts der Geschehnisse in Essen hatte hier der Veranstalter richtig gehandelt und von der Bühne aus rechtzeitig Sicherheitsanweisungen gegeben. Auch wenn die meisten Fans nun bis aufs Höschen klitschnass waren, tat das der Stimmung keinen Abbruch, und die Betriebstemperatur des Publikums war nach
der unfreiwilligen Pause direkt wieder auf Maximum. Zu ‚Eva‘ staunte das Publikum nicht schlecht, denn nun standen plötzlich zwei SÜDs auf der Bühne und trommelten gemeinsam um die Wette. Auch das seit der letzten Tour obligatorische Drumsurfing durfte nicht fehlen. Bei dem balladesken ‚Totgesagt doch neugeboren‘ sorgten die Fangesänge ebenso wie bei ‚Lichterloh‘ für Gänsehautmomente im Publikum und bei der Band. Gute zwei Stunden lang jagte ein Hit das nächste Cover und auch der gute alte ‚Butzemann‘ wurde wieder aus der Versenkung geholt. Jedoch auch die beste Geburtstagsfeier fand aufgrund der örtlichen Sperrstunde ein Ende. Zu gutem Schluss versammelte sich die komplette Crew, der Fanclub des Freakteams sowie aller an diesem Tag beteiligten Musiker auf der Bühne um nochmal zum Finale den tongewordenen Mittelfinger ‚Leck mich‘ ausgiebig zu zelebrieren.

Der MASKENBALL war defintiv eine absolut gelungene Geburtstagssause, die für viele den würdigen Ausklang der Festivalsaison darstellte, aber schon auf die im Frühjahr bevorstehende Tour zum neuen Album Blut lecken ließ. Auch wir haben Blut geleckt und sind hoffentlich auch 2020 wieder mit dabei, wenn es heißt ‚Leck mich‘ – denn ‚Alte Liebe rostet nicht‘!

PhotoCredits: Andrea da Silva Nolasco

Berichterstattung: Ulli Depfenhart

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