Interviews

IMPARITY im Interview – Dunkel die Jahrenszeit, das Herz doomt

Der Regen prasselt an die Fensterscheiben und die Sonne ist bereits lange verschwunden. Es ist ein dunkler Novemberabend im Jahr 2023, das von Kriegen, Naturkatastrophen und Zukunftsängsten gebeutelt ist. Die ersten Grippewellen rollen über das Land hinweg und Festivals und gemütliche Sommernächte sind lediglich Erinnerungen, die im Alltag zu verblassen drohen. In diesem Moment setze ich die Kopfhörer auf, schließe die Augen und begebe mich mit „Tales of Rust and Bones“ von IMPARITY auf eine authentische Reise durch doomige Gefilde, die mich daran erinnert, dass es in einer turbulenten Welt noch jene Geheimtipps gibt, die einem nahe gehen. Grund genug die Band in Bochum zu treffen und über Verarbeitung von Gefühlswelten, Erfüllung von Jugendträumen und Techno als Werkzeug zu plaudern. Vorhang auf für IMPARITY!

Hallo, erstmal vielen Dank für eure Zeit und herzlichen Glückwunsch zu eurem ersten Album! Lasst uns eine kleine Zeitreise zu euren Wurzeln machen:  Wie kam es zu IMPARITY?

Stefan: Diese Frage habe ich befürchtet (lacht). Es war 2015, nachdem ich meine allererste Band verlassen hatte, wo ich Schlagzeug gespielt habe. Eigentlich hatte ich das Schlagzeugspielen für mich aufgegeben, weil ich keine Lust mehr auf den ganzen Stress hatte. Ich war dann mit meinem Vater auf einem Konzert von Motörhead und als ich Lemmy dann live gesehen habe dachte ich mir: „Das kann noch nicht alles gewesen sein“. Ich habe also mein Schlagzeug wieder aufgebaut und übers Internet nach Leuten gesucht. Andy (Bass) hatte sich gemeldet und wir kamen ganz gut miteinander klar. Wir brauchten auch noch einen Gitarristen und Andy empfahl mir sofort Markus, der ein sehr guter Gitarrist wäre. Markus kam dann sichtlich irritiert zu unseren Proben, da er seit 15 Jahren kaum noch Gitarre gespielt hatte, aber die Chemie zwischen uns stimmte sofort. Zu dritt sind wir dann gestartet und haben lange nach einem Sänger/Sängerin gesucht, bis wir zum Glück Eva übers Netz kennengelernt haben. Sie war bereits heiß von anderen Bands umworben und hat sich aus irgendeinem Grund für uns entschieden (lacht). Musikalisch passten unsere Vorlieben für Doom mit Eva’s Gesangserfahrungen im Gothic-Sektor sehr gut zusammen.

Wir sind dann tief in die 90er Jahre abgetaucht, hatten unsere ersten Auftritte und unsere erste EP „Watch The World Go By“ gemacht. Es gab noch einige Besetzungswechsel, bis Greg (Bass) zu uns gestoßen ist, der noch einiges an musikalischen Kompetenzen mit in die Band eingebracht hat.

Ihr habt bereits eine EP und eine Split auf dem Kerbholz. Wie hat sich die Herangehensweise bei eurem Songwriting bis zum Album entwickelt?

Markus: Wir drei Instrumentalisten treffen uns regelmäßig im Proberaum, Eva ist allerdings auf Grund der räumlichen Distanz seltener dabei. Während der Pandemie haben wir gelernt, vieles online zu erledigen.  Durch Greg hat sich an der Herangehensweise einiges geändert. Früher habe ich beispielsweise eine Idee oder ein Riff gehabt, unser Bassist hat seinen Part beigesteuert, Eva den Gesang und Stefan die Drums. Damit waren wir dann fertig. Seit Greg bei uns ist, ist es vielmehr ein gemeinschaftliches Erarbeiten.

Bei der Split EP „Dying Dreams“ war er noch neu an Bord und es war zusätzlich die Corona Zeit, so dass wir wenig proben konnten. Damals haben wir uns viele Ideen hin- und hergeschickt, was man den Songs teilweise auch anhört. Die Songs waren bereits fertig und Greg hat noch seine persönliche Note mit eingebracht, was auch sehr gut funktioniert hat. Bei dem Album hat immer einer eine Idee mitgebracht und wir haben dann gemeinsam im Proberaum den Song daraus entwickelt, was für uns sehr gut funktionierte.

Eine Frage an Eva (Gesang): Wie wird der Gesang in den Song integriert? Steht bereits das fertige Stück und du kannst dann loslegen?

Eva: Ja, so ungefähr (lacht). Ich bin nicht immer bei den Proben dabei, weil ich in einen zweistündigen Anfahrtsweg habe und dann nur rumsitzen würde. Das macht keinen Sinn. Wenn ich den Song höre, mache ich mir Notizen, welche Assoziationen ich dabei habe. Und anhand dieser Assoziationen schreibe ich nachher den Text. Das funktioniert für mich ganz gut, ich kann die meisten Texte dann einfach so runterschreiben. Wenn ich einmal das Schema habe, dann kriege ich das schnell geschrieben. Ich brauche für mich halt den Moment, an dem ich weiß, worum es in dem Song gehen soll und dann klappt das sehr gut.

Worum geht es in den Texten? Sind es fiktive Geschichten, oder persönlich erlebte Ereignisse?

Eva: Also die meisten Texte sind schon relativ persönlich, weil ich nicht der Mensch bin, der plakativ seine Gefühlswelt darlegt. Ich suche mir da meine Ideen raus und setze sie um. Beispielsweise bei `Rust and Debris` ist es relativ einfach, denn es geht um Umweltverschmutzung. Bei dem Intro hatte ich ein Dune Szenario im Kopf und habe den Rest dann darauf aufgebaut. Ich habe in einigen Texten auch Trennungen verarbeitet, aber das schreibe ich halt nicht so offensiv rein, sondern versuche die Stimmung zu transportieren.

Hand aufs Herz; was liegt euch mehr: Live Gigs oder die Songs im Kämmerlein schreiben?

Greg: Ich finde beides geil; die Songs gemeinsam im Proberaum zu entwickeln und dann bei Leuten zu testen, wie das live funktioniert. Anhand der Reaktionen merkt man dann, ob es ein Treffer war, oder ob man den nicht ganz so häufig spielt. Ich freue mich immer, wenn ich auf der Bühne stehen darf. Für mich ist beides gleichberechtigt. Es ist zwar grundverschieden, aber gleichermaßen wichtig.

Markus: Ich bin ehrlich gesagt mehr der Proberaum- und Schreibemensch. Natürlich sind Gigs zwar nicht schlecht, aber für mich wäre es nicht schlimm, wenn es keine Gigs gäbe (lacht).

Stefan: Früher hatte ich eine ähnliche Einstellung wie Markus zu Liveauftritten. Nachdem wir einige Auftritte absolviert und etwas Selbstvertrauen gewonnen haben, machen mir die Auftritte schon mehr Spaß. Wir sind jetzt gut aufeinander eingespielt und können uns aufeinander verlassen auf der Bühne. Selbst wenn sich jemand mal verspielt, bekommen wir das live als Band sehr gut ausgebügelt. Gerade in den Anfangstagen bei den ersten Auftritten weißt du, dass ein Spielfehler die ganze Band rausbringen kann; das setzt dich dann zusätzlich unter Stress, was mittlerweile viel besser geworden ist. Jetzt finde ich Live-Auftritte schon richtig geil.

Eva: Ich finde Live-Auftritte toll! Ich weiß noch, als wir 2017 im Proberaum darüber gesprochen haben, dass wir mittlerweile genug Material für einen Auftritt haben. Die Reaktion darüber war relativ verhalten (lacht).

Gerade in Sachen Locations muss man als unbekannte Band aber auch erst einmal an einige Gigs rankommen. Kleinere Clubs sind da stellenweise sehr offen und gute Kontakt spielen da auch eine sehr bedeutende Rolle.

Eva: Wir haben das Glück, dass ich den Veranstalter vom Kult 41 in meiner Heimatstadt Bonn kenne und der Club Fördergelder bekommt. Ohne den Kontakt wäre es sehr schwer für uns geworden.

Stefan: Alle unsere Konzerte basieren auf unseren persönlichen Kontakten, die wir zu den Veranstaltern haben. Als kleinere Band wirst du erst gar nicht großartig angefragt, deshalb basieren unsere Gigs zu 100% auf die Kontakte der einzelnen Bandmitglieder.

Gab es einen besonders schönen oder schlechten Moment, der euch in Sachen live Auftritten im Gedächtnis geblieben ist?

Eva: Wir hatten insgesamt zwei richtig schlechte Gigs.

Stefan: Da gab es mehrere Umstände, die dazu geführt haben. Ein vom Veranstalter gestelltes Schlagzeug, das nicht mal mehr für den Schrottplatz getaugt hatte, keine Gesangsanlage und keine Monitorboxen.

Markus: Da war so ein Songcontest mit drei Bands und der Veranstalter kannte bis zum Schluss nicht unseren Bandnamen. Anfangs hatte er noch vom Zettel abgelesen; als es zu der Siegerehrung kam (bei der wir gnadenlos untergegangen sind), hatte er seinen Zettel verloren und nur auf uns gedeutet und gemeint „die Band, die da vorne steht“. Schön sieht anders aus.

Stefan: Letztes Jahr in Hamm und in Bonn waren sehr gute Gigs. Als kleine Band ist man gut aufgehoben und wir hatten viel Spaß; die Leute geben sich Mühe und man hat gute Technik am Start. Ich glaube, wenn diese Grundvoraussetzungen stimmen, dann kommt der Rest von ganz allein.

Ihr habt auch bereits vor IMPARITY einige Erfahrungen gesammelt; habt oder hattet ihr weitere Musikprojekte?

Eva: Ich habe früher bei Traumtänzer gesungen; lustigerweise war es auch eine Bochumer Band. Irgendwie bleibe ich immer in Bochum hängen (lacht). Als ich dann Mutter geworden bin, kam es zum Bruch. Man war der Meinung, dass man als Mutter und mit Familie nicht erfolgreich durchstarten könne. Nach dieser negativen Erfahrung war ich der Meinung, dass es besser wäre, die Sache mit dem Singen komplett bleiben zu lassen. Ich habe danach noch fünf Jahre gebraucht, um auf die Idee zu kommen, erneut Musik zu machen. Ich kam 2016 zu IMPARITY und die Jungs sind einfach die nettesten.

Greg: Ich habe schon eine etwas längere Historie.Wahrscheinlich ist das auch altersmäßig bedingt und ich habe einfach mehr Zeit gehabt (lacht). Das ging bei mir mit 14 über die üblichen Schülerbands los, dann habe ich Bass in einer Blues-Rock Coverband gespielt. Dort habe ich mir meine Sporen verdient und sehr viel vom damaligen Gitarristen gelernt. Später war ich in einer Thrash-Band, danach habe ich noch in einer Psychedelic-Rockband Gitarre gespielt und gesungen. Mitte der 90er Jahre hat mich dann der Technozug frontal erwischt. Dann habe ich fast 25 Jahre Techno und Acid (auch live) gemacht. Ich bin kein DJ, sondern Musiker und habe mit meinem Bruder mit Hardware und Drum Computer auf der Bühne dann Musik gemacht. Irgendwann war für mich alles gesagt, so dass ich wieder zurück zum Bass gefunden habe und in einer Stoner-Band gespielt habe, was ein großes Steckenpferd von mir ist. Leider ist das aufgrund persönlicher Differenzen auseinander gegangen und dann hat mich nach 2 Jahren Suche Stefan angeschrieben.

Stefan: Ich bin durch meinen Cousin zum Schlagzeugspielen gekommen. Er hatte mich mal gefragt, ob ich nicht Lust hätte, in seiner Band zu spielen. Damals konnte ich noch gar nicht spielen, aber er hat es mir dann vieles in Ruhe beigebracht, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Außerdem habe ich seit Tag 1 Musikunterricht an den Drums genommen, was mich ebenfalls schnell nach vorne gebracht hat. Später ist es dann auseinandergegangen, was für mich aber nicht schlimm war, denn danach ging es mit IMPARITY weiter.

Gregs musikalische Historie spielt IMPARITY in Sachen Songwriting sehr gut in die Karten. So ist der Sprung in Sachen Effekten von der EP, über die Split bis zum Album deutlich zu hören. Man hat hier das Gefühl, dass die Effekte in kleinen Dosen genau an der richtigen Stelle platziert worden sind.

Greg: Im Laufe der Jahre eignet man sich auch ein gewisses Sortiment an Werkzeug und Wissen an, das man auch universell einsetzen kann. Das kann man in jeder Musikrichtung gut einbringen; IMPARITY haben mit Techno ja überhaupt nichts zu tun- Es geht nur darum, dass man an der richtigen Stelle das passende Werkzeug nehmen kann, um ein passendes Gesamtbild zu erzeugen.

Markus: Wir haben uns generell stark weiterentwickelt. Unsere erste EP haben wir zwar professionell im Studio aufnehmen und mixen lassen, aber wir hatten selber noch keine Idee, wo die Reise soundtechnisch hingehen sollte. Daher klingt die Platte sehr zahm. Die Split-EP haben wir dann selbst produziert und gemixt. Wir wussten in welche Richtung der Sound gehen sollte und der Sound ist schon ein deutlicher Schritt nach vorne, aber man hört an vielen Stellen eben auch raus, dass der Mix nicht wirklich professionell ist. Lediglich das Mastern haben wir damals aus der Hand gegeben. Diese Erfahrungen und die Idee unseres eigenen Sounds haben wir dann auf unserem Album verfeinert. Durch den sehr guten Support von Markus Skroch, der unser Album dieses Mal gemixt und gemastert hat, haben wir ein sehr gutes Ergebnis erzielt, weil er wusste, welche Vorstellung wir von unserem Sound hatten.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Markus?

Stefan: Markus hatte früher in der Band Hel gespielt. Das war eine relativ bekannte Pagan Metal-Band. Jetzt spielt er in der Band Ash of Ashes und ich bin seit meiner Teenager Zeit ein großer Fan seiner Musikprojekte. Ich hatte das Glück Hel einmal live sehen zu können und hatte mit Markus innerhalb meiner Redaktionstätigkeit bei metal.de gelegentlich gemailt. Dann begab es sich, dass seine neue Band Ash of Ashes zufälligerweise auf dem gleichen Label (Schattenpfade) ist wie wir, was für mich als Hel-Fanboy sehr schön ist. Als ich dann erfahren habe, dass er auch Mix und Mastering professionell anbietet, habe ich über unser Label den Kontakt mit ihm gesucht und wir haben uns dann in Wuppertal getroffen. Für uns gab es keinen Zweifel, dass wir mit ihm zusammenarbeiten wollen; wir waren sofort auf einer Wellenlänge und hatten auch schnell einen Plan von unserer Herangehensweise. Ich war anfangs etwas aufgeregt, aber mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, als es so gut funktioniert hatte. Wir sind alle sehr gut miteinander klar gekommen und ich glaube das Ergebnis kann sich sehr gut hören lassen.

Neben der Musik gibt es auch ein sehr schönes Coverartwork zu bestaunen. Zusätzlich gab es auch Pressefotos, bei denen die Bandmitglieder ein leicht abgewandeltes Cover nachspielten, wobei Eva als Nonne fungierte.

Eva: Die Fotos hat Maurice Matern gemacht, der bereits für unsere erste EP die Fotos gemacht hat. Ich hatte ihn mal über Facebook kennen gelernt, weil wir einen Photographen gesucht haben und seitdem unterstützt er uns.

Stefan: Er ist sehr ambitioniert und macht sich viele Gedanken, wie er was bestmöglich umsetzen kann. Er kam zu uns in den Proberaum und wir hatten zu dem Zeitpunkt bereits das Cover für das Album; er kam dann auf die Idee, das Cover mit uns nachzustellen. Eva also als Nonne und der Rest von uns unter dem Saum des Kleides verdeckt. Wir haben dann eine alte Scheune im Sauerland für das Fotoshooting nutzen dürfen und dann direkt losgelegt. Wir haben den gesamten Tag daran gearbeitet, sowohl an den Einzelportraits als auch an dem Gruppenfoto und es hat sehr gut funktioniert.

Greg: Kleine Anekdote am Rande: wir waren den ganzen Tag mit dem Shooting beschäftigt und bekamen irgendwann auch Hunger. Also haben wir kurzerhand einige Pizzen in die verlassene Scheune irgendwo im Sauerland bestellt. Der Lieferservice kam dann in den Raum rein, wo fünf Kerle und eine Frau im Latexkostüm saßen, umgeben von einer großen Fotoausrüstung und rotem Samt auf den Boden. Er war sichtlich verwirrt, aber wir konnten ihm (hoffentlich) erklären, dass es nicht das ist, wonach es aussieht (schallendes Gelächter).

Alles ist hier noch echte Handarbeit; sei es bei der Musik, in der Cover- / Bookletgestaltung oder auch in der Promo. So kümmert sich Stefan in erster Linie um die Promo, da er stellvertretender Chefredakteur bei metal.de ist und die Connections hat, während Markus sich um die CD´s und das Vinyl kümmert. In der Zwischenzeit lockt Greg bereits mit ersten neuen Ideen für den Nachfolger, wobei man sich jetzt ganz auf den Release von „Tales of Rust and Bones“ konzentriert. Die Single `The Truth of Bones` ist bereits erschienen und am 17.11.2023 erblickt das Debütalbum das Licht der Welt. Das Jahr neigt sich dem Ende zu, für IMPARITY beginnt jedoch ein neues Kapitel in der Bandgeschichte. Ich bin mir sicher, dass es viele geben wird, denen es wie mir in der Einleitung gehen wird und die die dunkle Jahreszeit mit dieser Doom-Perle würdig einläuten werden. 

 

Redakteur: Sebastian Radu Groß

Consent Management Platform von Real Cookie Banner