Interviews

FAR BEYOND im Interview – Am Ende einer epischen Straße

Treffen sich ein Musiker und ein Journalist. Der Journalist fragt: „Was ist eigentlich schwerer; die Songtexte schreiben, oder die Instrumente einspielen?“ Antwortet der Musiker: „Am schwierigsten ist es mal kurz von DARK SOULS wegzukommen, um endlich mal wieder komponieren zu können.“

Was sich wie ein schlechter Witz liest, ist tatsächlich so passiert. Während unseres Interviews 2016 zum letzten FAR BEYOND Album, stellte sich zwischen dem Verfasser dieser Zeilen und dem Solokünstler Eugen Dodenhoeft die gemeinsame Leidenschaft zum Dark Souls Universum und zu Videospielen insgesamt heraus. Dieses Jahr ist das aktuelle Album „The End of my Road“ erschienen, das in unserem REVIEW amtlich abgeräumt hat. Grund genug, um über die Entstehung der Songs, verängstigte Nachbarn und andere Welten zu plaudern.

Blind Guardians Erben

Das Vorgängeralbum deutet bereits an, dass die Entwicklung von FAR BEYOND unter einem guten Stern stand. Unter der Headline „Blind Guardians Erben“ wurde nur ein Einfluss genannt, den es auch bei diesem Album zu hören gibt. Die Resonanzen auf das Album sind überwiegend positiv; zusätzlich gibt es auch sehr durchwachsene Stimmen. Eine mexikanische Grind Metal Seite war nicht wirklich angetan von dem Werk und auch ein Blogger konnte nicht viel mit dem Album anfangen; allerdings wurde das Album von ihm nicht komplett verrissen, sondern aufgrund seiner Vielschichtigkeit empfohlen, es sich anzuhören, um sich seine eigene Meinung zu bilden. Gerade die Vielseitigkeit des Albums bietet eine Diskussionsgrundlage, die zusätzlich Aufmerksamkeit auf sich zieht. Beim Durchlauf kommen unterschiedliche Vergleiche auf: von Dimmu Borgir, Stratovarius, Borknagar, bis zu Edge of Sanity („Crimson“) ist die komplette Spannbreite dabei. Dabei ist die Chance groß, dass für jeden etwas dabei ist.

„Ich finde es sehr interessant, mit welchen Bands ich verglichen werde. Spontan bekomme ich alle Bands, mit denen ich verglichen wurde auch gar nicht mehr zusammen. Es ist so, als ob jeder seine eigene Brille auf hat und mich mit Bands vergleicht. Dabei sind Bands, wie Wintersun, Borknagar oder auch Bands, von denen ich noch nie gehört habe in meinem Leben. Bei Bands, die ich kenne, kann man bei einigen Elementen durchaus Ähnlichkeiten raushören. In Summe habe ich den Eindruck von meiner eigenen Musik, dass ich mich aus vielen Sachen zwar bediene, dass es aber gleichzeitig enorm eigenständig ist. Mein persönlicher Eindruck ist, dass ich so eine Mischung, die ich aufgenommen habe, bei anderen Bands für mich noch nicht rausgehört habe. Ich habe nichts Neues erfunden: auf meinem Album hörst du bekannte Elemente wie Power-, Black- und Melodic Death-Metal Riffs, cleanen Gesang und Kreischvocals, Synthesizer und Chöre, also alles, was man schon einmal gehört hat. Ich bin auch kein Profi an der Gitarre, aber ich kaschiere es ganz gut (lacht). Ich würde sagen, dass die Mischung dieser Formen ein Alleinstellungsmerkmal ist.“

Herrlich unperfekt

Weiterentwicklung ist ein großes Thema bei neuen Alben. Besonders beim Gesang ist hier stark an sich gearbeitet worden. In Kombination mit dem epischen Songwriting kann man beispielsweise Parallelen zu Hollenthon, Black Lotus oder auch gelegentlich Borknagar erkennen. So hat sich die Textpassage „I am sorrounded by endless night“ (`From The Stars and The Crescent Moon`) in mein Langzeitgedächtnis gefräst. Da kommt die Frage auf, inwieweit da Gesangsunterricht genommen wurde.

„Ich habe da ehrlich gesagt gar nichts gemacht; es hat sich einfach so ergeben. Vielleicht liegt es daran, dass ich die Songs so geschrieben habe, dass sie zu meiner Tonlage passen. Ich habe da nicht so eine große Bandbreite. Meine Stimme ist ziemlich tief, so dass ich nicht sonderlich hoch, aber dafür tief runterkomme. Der tiefe Gesang passt jedoch nicht zu den komplexen Songs, also muss ich eine gewisse Höhe erreichen, damit man mich überhaupt noch durchhören kann. Es ist sehr oft vorgekommen, dass ich mir Riffs ausgedacht habe, die nicht zu meiner Stimme gepasst haben. Dann habe ich die Songs so oft umgeschrieben, bis sie in das schmale Fenster passten, wo sie mit meiner Stimme harmonieren. Da habe ich bei diesem Album auch sehr viel mehr Wert draufgelegt als beim Vorgänger.“

Bei der Bandbreite zwischen Screams, clean und Growls gibt es viel zu tun. Was ist davon eher Heimspiel und was ist eine Herausforderung?

„Gerade die Screams fallen mir am schwersten. Hier ist Technik das absolut wichtigste, denn wenn du das falsch machst, hast du schnell deine Stimmbänder zerstört. Ich habe auch mal Screams aufgenommen, ohne mich vorher aufzuwärmen und dann direkt einen Krampf im Zwerchfell bekommen. Das ist besonders schön, denn davon hast du nicht nur 10 Minuten etwas, sondern mehrere Tage. Als ich dann versucht habe, kraftvoll zu Singen, hat das Zwerchfell direkt dicht gemacht und ich habe eine Woche keinen kraftvollen Ton mehr rausbekommen. Danach habe ich recherchiert und mir einen Kurs von BRITTA GÖTZ gekauft. Sie hat zusammen mit Christian Kohle aus dem Kohlekeller Studios einen Workshop gemacht und da waren sehr gute Aufwärmübungen dabei, die ich immer vor den Aufnahmen gemacht habe. Seitdem hatte ich keine Probleme mehr mit dem Zwerchfell und ich habe Töne rausbekommen, die auf dem Vorgängeralbum gar nicht möglich waren.“

Die Vocals, oder „Wenn der Nachbar zweimal klingelt…“

Die Instrumente einzuspielen ist eine Sache, die Vocals zu üben eine völlig andere, denn da wird es zwangsläufig etwas lauter. Dabei fällt Eugen auch eine Anekdote ein.

„Bis vor 3 Jahren habe ich immer in Wohnungen gewohnt. Als ich damals meine ersten Gesangsaufnahmen gemacht habe zu „Bleeding Rose“ im Jahr 2001, habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt. Das war in meinem alten Kinderzimmer, wo ich mir nicht viele Gedanken über die Lautstärke gemacht habe. Nachdem ich dann mit meinen Gesangsaufnahmen fertig war, habe ich durch das gekippte Fenster noch Stimmengewirr gehört. Als ich rausgeschaut habe, hatte sich bereits eine kleine Traube von Menschen gebildet, die ich als meine Nachbarn identifiziert habe. Viele von ihnen haben aufgeregt nach oben gezeigt und da wusste ich, dass man mich gehört hatte. Kurze Zeit später klingelte es bereits an der Tür und ein besorgter Nachbar fragte mich, ob alles OK sei, weil es so klang, als würde ich meine Mutter umbringen. Sie hätten nur fürchterliche Schreie gehört und sie haben bereits die Polizei gerufen. Wenige Sekunden später kam auch ein großer Trupp von Polizei und Feuerwehrleuten, denen ich erklären musste, dass alles OK sei und ich nur die Gesangaufnahmen gemacht habe. Draußen stand bereits der Löschwagen mit Drehleiter und allem drum und dran und ich bin im Boden versunken. Nachdem ich denen erklärt hatte, dass es nur um Gesangsaufnahmen ging, wollten sie die natürlich auch mal hören. Die gesamte Mannschaft war also in meinem Kinderzimmer, ich habe dann die Gesangsaufnahme ohne Instrumente abgespielt und bin dann hart ausgelacht worden. Mir war das Ganze extrem peinlich, aber meinem Nachbarn auch. Er hat dann auch mein Album gekauft und wurde Fan meiner Musik. Das Erste, was ich danach gemacht habe, als ich von zuhause ausgezogen bin, war mir eine Gesangskabine zu bauen. Später bin ich dann auf Gesangskabinen von Isovox umgestiegen; da hast du den Kopf wie der Vogel Strauss in der Kabine, aber es funktioniert. Mittlerweile wohne ich in einem freistehenden Haus und jetzt ist das kein Problem mehr.“

Neben epischen Vocals sind auch Gitarrenwände  und tightes Drumming am Start. Zusätzlich gibt es auch Chöre auf dem Album zu Hören.

„Ich habe zwei unterschiedliche Arten von Chören eingebaut; zum einen ein klassisches Plug In mit einer Software Library und zusätzlich habe ich in den Refrains einfach mehrere Gesangsspuren (teilweise bis zu 20 Spuren) meiner Stimme übereinander gelegt. An einigen Stellen habe ich auch meine Stimmen und die Chor Library kombiniert, damit es noch größer klingt.“

Where Next to Conquer

Nach dem Songwriting ist vor dem nächsten Album. Allerdings kennt man das vielleicht auch nach einem guten Buch, einem spannenden Film oder einem packenden Computerspiel; ist man einmal am Ende angelangt, fühlt sich das Leben kurzweilig leer und bedeutungslos an.

„Genau so ist das auch bei mir! Ich falle dann immer erstmal in eine „Postalbumrelease Depressionsphase“ (Ausdruck kam von Lukas von Nathram). Besser könnte ich das nicht beschreiben. Wenn ich ein Album erst einmal fertig habe, habe ich danach monatelang die Schnauze voll vom Musik machen und ich verkaufe die Gitarre, mit der ich das letzte Album gemacht habe, weil ich die nicht mehr sehen kann. „The End of my Road“ ist die erste Scheibe, wo ich meine Gitarre behalten habe, weil ich einfach so sehr an ihr hänge, dass ich sie nicht mehr hergeben will. Außerdem habe ich auch einige Verkäufe schon bereut. Irgendwann später kommt wieder in mir der Drang auf, dass ich wieder musikalisch was machen möchte. Es ging auch nicht direkt mit FAR BEYOND weiter, sondern ich habe von 2017 an mit Matt am zweiten Euphoreon Album gearbeitet, das wir 2018 rausgebracht haben. Effektiv habe ich 2019 angefangen, am neuen FAR BEYOND Album zu arbeiten. Da war eine Menge los, u.a. bin ich dreimal umgezogen. Fertig ist das Album schon 2023 gewesen, aber der Release hat sich einfach noch so lange hingezogen. Ich hoffe, dass das nächste Album nicht so lange dauert.“

Die Geburt der Songs

„Die Grundlagen der Songs setzen sich aus Riffs, Riffs und noch mehr Riffs zusammen. Ich spiele viel mit der Gitarre rum und irgendwann kommen Riffs und Patterns dabei raus. Ich nehme die dann direkt mit Cubase auf, füge Schlagzeug und Bass hinzu und schaue, was sich daraus entwickelt. Dann kommen einige Variationen bzw. Übergänge dazu, ich experimentiere etwas herum und füge die einzelnen Elemente zusammen. Die andere Basis ist die Akustikgitarre; viele Refrains sind auf der Akustikgitarre entstanden, weil ich einige Akkorde vor mich hin gespielt und etwas dazu gesungen habe. Wenn es funktioniert, nehme ich es dann direkt auf und arbeite an der Idee weiter. Wenn ich spontan eine Idee habe, nehme ich die auch mal mit dem Handy auf. Ich füge später noch Chöre oder Effekte hinzu, aber die Basis entsteht immer auf den Gitarren.“

Aber auch der Zufall und die Effekte spielen Eugen manchmal in die Karten.

„Früher ist es häufig vorgekommen, dass ich auf dem Keyboard gespielt habe und zufälligerweise ein Preset erwischt habe, der sich geil anhört. Der Anfang von „Evernight Part 1“ von meinem letzten Album ist ein sehr gutes Beispiel dafür; du drückst eine Taste und es klingt geil!“

Nachdem sich viele Ideen angesammelt haben, müssen diese natürlich noch in Form gegossen werden.

„Irgendwann habe ich genug Ideen gesammelt, jetzt müssen daraus Songs werden. Ich wehre mich grundsätzlich noch dagegen, die typischen Songpatterns zu benutzen; also Strophe, Bridge, Refrain, Strophe, Bridge, Refrain, Solo und fertig. Ich höre das so häufig, dass ich das in meiner Musik nicht will. Ich mag es eher, wenn sich etwas aufbaut, dann mit einem Zwischenpart alles wieder runterfährt, dann wieder aufbaut und das alles in Wellenform weitergeführt wird. Ich arbeite mich quasi von Klimax zu Klimax und nicht durch eine simple Songstruktur. Natürlich wiederholen sich bei mir auch Patterns und ich möchte dies bei meinem nächsten Album auch wieder anders machen, um meine eigenen Muster zu durchbrechen. Ich weiß noch nicht, wie genau ich es machen werde, aber es wird sich auf jeden Fall etwas ändern.“

Natürlich sind Wiederholungen als Wiedererkennungswert wichtig und bei der Sorge, dass beim nächsten Mal verschachtelte Songstrukturen auf Kosten der Atmosphäre benutzt werden, gibt Eugen direkt Entwarnung.

„Das wird definitiv nicht passieren. Für mich sind Wiederholungen auch eine Orientierungshilfe für den Hörer, allerdings geschickt verpackt. Ich habe beispielsweise die Themen eines Intros später im darauffolgenden Song wieder aufgegriffen, was gut funktioniert hat. Die Arbeitsweise ergibt sich irgendwie von selbst und deshalb bin ich auch nicht in der Lage, kurze Songs zu schreiben.“

Auch das Element der Überraschung kann da eine entscheidende Rolle spielen. So haben Katatonia in ihren Anfangstagen noch räudige Riffs gespielt und mittendrin ein Intermezzo aus cleanen Gitarren verwendet, ehe es mit einer ganz anderen Songstruktur weiterging. Auch wenn bei FAR BEYOND nicht genauso gearbeitet wird, so sind es gerade die unvorhersehbaren Songstrukturen, die den Reiz des Albums ausmachen.

Magier am Griffbrett

Auch als Soloprojekt hat man sich hier Hilfe in Form von Gastmusikern geholt.

„Nach meinem letzten Album hat sich ein Typ namens Lukas bei mir gemeldet. Ihm gefiel mein Album und ihm ist aufgefallen, dass ich alles allein mache. Er hat selbst ein Soloprojekt (NAHTRAM) und wollte sich gerne mit mir austauschen. Ich hatte dann bei ihm reingehört und war direkt schwer begeistert: viele Gitarren, geile Soli und alles im Alleingang, das hat mich schon beeindruckt! Da habe ich ihn gefragt, ob er Lust hat, auf meinem neuen Album die Leadgitarren einzuspielen und er hat sofort zugesagt. Ich habe ihm damals vier Stücke mit groben Beschreibungen zugeschickt, wo ich mir ein Solo vorstellen könnte. Es war unfassbar, was dabei zurückgekommen ist. Jeder Schuss hat sofort gesessen; Lukas hat instantan sofort die Atmosphäre des Albums gespürt und eine geiles Solo nach dem anderen dazu beigesteuert. Ich bin immer noch schwer beeindruckt davon, weil es einerseits sehr anspruchsvoll ist und gleichzeitig nicht nur Technik ohne Atmosphäre beinhaltet. Ich bin schwer begeistert und super happy, dass er beim nächsten Album wieder mitmachen will.“

Live VS. Studio

„The End of my Road“ funktioniert auf vielen Ebenen sehr gut. Segen und gleichzeitig Fluch von FAR BEYOND ist die Tatsache, dass es ein Soloprojekt ist, wo man vollständig unabhängig von anderen Komponenten oder Künstlern ist. Das schiebt gleichzeitig Live-Aktivitäten einen Riegel vor.

„FAR BEYOND live umzusetzen ist schwierig; ich müsste sehr viel vom Band laufen lassen, selbst wenn ich eine komplette Band mit Sänger, Schlagzeuger, Gitarristen, Bassisten und Keyboarder hätte. Auf der anderen Seite bekommen es Blind Guardian und Wintersun live ja auch hin, es wäre also möglich. Was mich aber wirklich abschreckt ist der Aufwand. Ich müsste sehr viel üben, um eine Stunde lang meine Sachen zu singen und gleichzeitig Gitarre zu spielen, was ich ja sonst nicht mache. Meine Songs entstehen schrittweise und deshalb habe ich auch noch nie meine Songs komplett durchgespielt. Dann noch die Leute zu finden, mit denen ich alles proben muss, ist schon eine Herausforderung. Andererseits stelle ich mir vor, dass ich als alter Mann rückblickend bereuen werde, nie die Live-Erfahrung zu machen, wie das Publikum zu meinen Songs steil geht und mitsingt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es etwas Besseres geben würde, als diese Erfahrung. Ich bekomme zwar digital viel positives Feedback, aber das kannst du mit dem Gefühl einer Live-Erfahrung nicht vergleichen. Das geht mir selbst nicht anders, wenn ich meine Lieblingsbands live sehe. Aber der Aufwand schreckt mich einfach ab.“

Da ist Eugen nicht allein, denn selbst bekannte Bands erzählen Geschichten vom Tourleben, die nicht gerade dazu verführen. In erster Linie besteht es aus Warten, dann aus Reisen und dem Vorbereiten, dann aus Warten, und nach dem Gig wieder reisen und auf Flughäfen/Bahnhöfen warten. Der Moment des Konzertes wird von allen geliebt, aber das Drumherum ist auch für gestandene Größen immer eine Herausforderung.

Kleiner Handgriff, große Wirkung

Weiterentwicklung muss nicht immer in großen, epischen Schritten ablaufen. Manchmal sind es gerade die Kleinigkeiten, die den großen Unterschied machen.

„Beim Vorgängeralbum hatte ich lange Songs mit Intros integriert, was epische Songs als Ergebnis hatte. Dieses Mal habe ich die Intros als separaten Track von den Songs gelöst, damit die Songs auch besser zur Geltung kommen. Dadurch bleibt die Atmosphäre erhalten und gleichzeitig kann der Hörer direkt zum Punkt springen, an dem er sein Lieblingsriff hört.“

Definitiv eine gute Entscheidung; hat damals bei Edge of Sanity´s „Crimson II“ im Vergleich zu „Crimson“ auch super funktioniert. Auch in Sachen persönlicher Lieblingssong und Promo hat es sich zum Vorteil ergeben.

„Mein persönlicher Lieblingssong auf dem Album ist ‚A Symphony of Light`. Allerdings wollte ich den nicht als Single raushauen; meine Hoffnung war, dass sich die Leute das Album kaufen und dann mit diesem Song auch ihr persönliches Highlight finden. Ich habe dann das Label gefragt, welchen Song die nehmen würden und die haben dann „From the Stars…“ genommen. Ich hatte den Song gar nicht auf dem Radar; er ist gut, aber nicht mein Favorit auf dem Album (dafür aber der Liebling des Redakteurs). Anscheinend hat das Label aber damit voll ins Schwarze getroffen, weil ich so viele positive Resonanzen zu dem Song bekommen habe.“

Blast from the Past

Textlich atmet das Album eine sehr dichte Atmosphäre, die mich an die Black Metal Bands der 90er Jahre erinnert. Man hatte sich damals textlich und musikalisch was getraut, viel experimentiert und die Komfortzone bestand darin, Neues auszuprobieren. Man scheute nicht vor Akustikgitarren, Keyboards und Trompeten zurück und hat damals unsere heutige Musiklandschaft gestaltet (Beispiel: Emperor im Black Metal mit den Keyboards bzw. Mortiis mit Dungeron Synth). „Kennst du noch Sentenced?“ leitet eine Schwärmerei ein, bei der alles von der „Amok“ bis zur „Cold White Light“ erstmals würdig gehuldigt wird. Der Humor der Finnen ist ebenfalls unübertroffen; so soll auf der „Cold White Light“ ein Percussion Part sein, der angeblich das Klatschen auf dem nackten Arsch eines Bandmitglieds ist (*versucht bei der Vorstellung nicht zu lachen). Leider kann man diese Band nicht mehr live bewundern, da Miika Tenkula (Hauptsongwriter und Gitarrist) nicht mehr lebt; auch Peter Steele und Dio weilen leider nicht mehr unter uns, um uns epische Momente zu bescheren. Bei dem Thema „denkwürdige Momente“ biegen wir auf die Zielgerade des Interviews ab und stellen die Frage nach dem besten und übelsten Moment im Zusammenhang mit FAR BEYOND.

„Der beste Moment ist leicht: ich habe vor jedem Album ein Backing Sheet, wo alles einzeln aufgeführt und farblich markiert ist (Gitarren, Drums, Gesangsspuren usw.). Das ist für meinen Fortschritt beim Songwriting für mich essenziell. Wenn ich das letzte Feld grün einfärbe und das entsprechende Instrument weglege, weiß ich, dass ich mit dem Teil des Albums fertig bin, was ein sehr intensives Gefühl ist. Das sind definitiv immer die besten Momente. Ansonsten ist die Kompositionsphase sehr emotional, während die Recordingphase selbst ein sehr monotoner Prozess ist, der aber auch Spaß macht. Der Worst Case war beispielsweise die Aufnahmen zum Vorgängeralbum. Ich hatte noch in einer anderen Wohnung gewohnt und die Nachbarn hatten gefühlte 40 Wellensittiche, die bereits morgens Party gemacht haben. Die Instrumente und der Gesang waren kein Problem aufzunehmen, aber wenn ich eine Akustikgitarre aufnehmen wollte wusste ich nie, ob ich Ruhe habe, oder ob irgendwann mittendrin ein Wellensittich zu hören war. Also habe ich die Mikrofone in die Gesangskabine eingebaut und die Akustikgitarre dort aufgenommen. Eigentlich nicht schlimm, aber die Gesangskabine war so klein, dass man die Gitarre fast nur senkrecht nach oben halten konnte und ich gleichzeitig in verdrehter Körperhaltung reinsteigen musste. Wenn du dann noch nach jedem Take aufstehen musst, zum Rechner gehst und alles anhörst, wieder auf Aufnahme drückst und zurückgehst, geht das irgendwann massiv auf die Nerven.“

Prepare to Mosh

Unsere gemeinsame Leidenschaft Gaming bietet Stoff für ganze Bücher; dennoch halten wir uns hier zurück und beschränken uns auf die Frage, ob und für welches Computerspiel Eugen Musik schreiben würde.

„Ich finde, dass Metalmusik gar nicht so wirklich zu den Spielen passt, die ich gerne spiele. Ich musste natürlich gerade an die Dark Souls Reihe denken, aber dazu passt es nicht. Bei dem Reboot von Doom, im Zusammenhang mit dem Flow und dem Geballer funktioniert diese Art der Musik natürlich sehr gut. Ich bin aber nicht in der Lage Musik zu dieser Art des Mediums zu machen und ich wüsste auch nicht, zu welcher Art von Spielen meine Musik passen würde. Gleiches gilt für Filmmusik, denn es ist eine andere Art und Weise Musik zu machen. Man hört auch bei Spielesoundtracks die Musik während des Spiels stundenlang (Hallo „Baldur´s Gate 3“) und dafür darf sich die Musik nicht allzu schnell abnutzen. Auch bei From Softwares´“Elden Ring“ funktionieren leichte, langgezogene Töne perfekt, während bei Bossgegnern das volle Orchester aufgefahren wird. Außerdem ist es gefährlich, denn wenn ich beispielsweise bei „Dark Souls“ zum 1000. Mal gestorben bin, kann ich diesen Track einfach nicht mehr hören, weil es mich irgendwann aggressiv macht. Anders sieht´s beim Firelink Shrine aus, denn da weißt du, dass du runterfahren kannst und alles in Ordnung ist. Bei Spielemusik passe ich.“

Ist aber nicht schlimm, denn „The End of My Road“ bietet genug Stoff für ein eigenes, episches Kopfkino.

Redakteur: Sebastian Radu Groß

 

 

 

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