CD Reviews

FAR BEYOND – „The End Of My Road“

Der Wind zerrt am Mantel des Wanderers; er weiß nicht mehr, wann und warum er aufgebrochen ist, aber sein Weg treibt ihn vorwärts. Zaghafte Synthesizer-Schritte markieren seine Spuren im Schnee, die von einer elegischen Geige aus dem Schatten heraus verfolgt werden. Eine Basslinie später wird das Bild klarer und verspielte Melodien umringen ihn, wie eine Horde Irrlichter. Im Hintergrund braut sich etwas zusammen, während eine Gänsehaut die Szene vor dem inneren Auge umschließt. Fast schon sanft haucht `Midwinter` seinen Atem aus, ehe epische Chöre und Stakkato Gitarren `A Symphony of Light` zelebrieren.

Was im Intro angedeutet wird, explodiert in einer Kaskade aus Chören, aggressiven Vocals und einer warmherzigen Gitarrenlinie, ehe die klaren Vocals endgültig die Gänsehaut heraufbeschwört. Bereits in den ersten Sekunden passiert hier so viel, wie auf anderen Alben, ohne jedoch chaotisch zu wirken. Der Entdeckungsdrang wird mit nackenbrechenden Riffs, epischen Orchesterpassagen und charismatischem Refrain belohnt. Hollenthon, Borknagar, Dimmu Borgir; es gibt viele Namen, die man als Vergleich in den Ring werfen könnte, aber sie deuten lediglich an, was eine herrlich eigenständige Mischung ist. Elemente aus dem Extremsektor werden gekonnt mit klassischen Gitarrenleads vermischt und zu einer packenden Symbiose verarbeitet, die auch vor (kleinen) elektrischen Experimenten nicht Halt macht. Nach dem 10 Minuten Trip wird mit `Ad Infinitas` erstmal ein Intermezzo eingestreut, ehe `Tempus Fugit`nahtlos daran anknüpft. Die Chöre bilden hier den Aufhänger, während ein geschmeidiger Doublebassteppich eine Stimme trägt, die problemlos jede Power Metal Band glücklich machen könnte, ehe wieder aggressives Gekeife eingestreut wird.

`A Wish Upon a Star` verpackt in 2 Minuten alles, was ich an einem balladesken Instrumental lieben kann; sanfte Klänge zerfließen mit einer charismatischen Akustikgitarre, während ein klassisches Gitarrensolo einen wohltuenden Schauer hinterlässt und den Weg für die Chorpassage ebnet. Einen Eulenschrei später ebnet sich das Black Metal Riff von `From The Stars And The Crescent Moon` den Weg durch die Boxen und eröffnet den Tanz zu meinem persönlichen Highlight des Albums. Zu Beginn wirft man bewusst mit Dreck um sich, doch die klaren Vocals harmonieren mit den hohen Gitarrenlinien so unfassbar genial miteinander, dass spätestens jetzt die Gänsehaut Stammgast ist. Hier wird neben dem gekonnten Wechsel von Midtempo Black Metal und epischen Momenten die Trumpfkarte des Klargesanges ausgespielt, der mich auch Tage später noch mit der Gesangspassage „I am surrounded by endless night…“ mitfühlen lässt. Hier sollte man sich mit den Texten beschäftigen, die übrigens derart introvertiert und gleichzeitig poetisch sind, dass sie problemlos in den 90ern von einer begnadeten Black Metal Band geschrieben hätten werden können. Den Rest des Songs beschreibe ich nicht, den sollte man sich im Video (ganz laut!) anhören.

Perfektion hat viele Gesichter; manchmal ist es die Produktion, manchmal die Instrumentierung und manchmal auch die Gesangsleistung. Unterm Strich ist der Gesamteindruck alles, worauf es am Ende des Tages ankommt. Die Tatsache, dass sich hinter FAR BEYOND eine Person verbirgt (Eugen Dodenhoeft), stemmt das Ganze nochmal auf ein ganz neues Level. Gastmusiker Nahtram hat hier astreine Gitarrensoli beigesteuert, was für einen glänzenden Feinschliff sorgt. Das Album ist (zum Glück) nicht für jeden perfekt, aber ich konnte für mich weder am Sound, noch an den Songs, am Cover oder an den Texten etwas entdecken, was mir auch nur ansatzweise Angriffsfläche zum Meckern geben würde. Das Streben nach Perfektion wurde von Eugen hier mehr als gründlich zelebriert und hinterlässt bei mir ein Gefühl der Ehrfrucht. Vielleicht bleibt das Album ein Geheimtipp, wegen mangelnder Bekanntheit, aber an der Qualität kann es definitiv nicht liegen, denn hier wird eine Open World vieler Facetten des Metals aufgefahren und zu einer charismatischen Symbiose vereint, dass selbst ein Dark Souls Endboss anerkennend nicken würde.

Episch, gefühlvoll, genial!

10 von 10 Punkten

Redakteur: Sebastian Radu Groß

 

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