CD Reviews

CREMATORY – „Destination“ (Review)

Wir schreiben das Jahr 1991; in Westhofen gründen Schlagzeuger Markus Jüllich und Gitarrist Lothar Först eine Lärmkombo, die sich dem melodischen Death Metal widmet. Einen großen Zeitsprung in das Jahr 2025 können CREMATORY auf eine sehr eindrucksvolle Karriere zurückblicken. So haben sie in den 90er Jahren nicht nur die perfekte Symbiose zwischen Gothic und Death Metal erschaffen, sondern auch gleichzeitig elektronische Einflüsse geschickt integriert. Texte über den Tod im Death Metal Stil? Check! (´Shadows of mine`). Eine Hymne erschaffen, die ein zeitloses Bild der 90er Jahre Gothic Ära bis heute zeichnet? Check (`Tears of Time`). Den Mut, sich weiterzuentwickeln, zu experimentieren und gleichzeitig seinen Wurzeln treu zu bleiben? Definitiv! Hinzu kommt die Bodenständigkeit der Musiker und ein teilweise konstantes Bandgefüge (Schlagzeug, Gesang und Keyboards wurden zum Glück nie ausgetauscht). Was kann man also von einer Band erwarten, die seit 34 Jahren im Geschäft ist?

„Destination“ überrascht mich quasi aus dem Nichts und erwischt mich eiskalt. Das Cover deutet bereits an, dass hier die Zähne gezeigt werden und im Vergleich zum Vorgänger „Inglorious Darkness“ wird hier wieder mehr auf druckvolle Gitarrenwände gesetzt, als auf elektronische Spielereien. Natürlich sind diese auch weiterhin fester Bestandteil, wurden aber hier sehr geschickt eingewoben und nicht in den Fokus gerückt. Ohne lange Intros knallt der Titeltrack als Opener durch die Hörgänge und zwingt die Nackenmuskulatur zu Überstunden. Knackige Riffs führen zum Refrain, bei dem alles da ist, was ich an CREMATORY liebe: das Gefühl für Melodien, einprägsamer Refrain und atmosphärische Keyboards. Auch Felix Stimme hat wieder genug Hass getankt, um die Durchschlagskraft der Songs nach vorne zu bringen. `The Future is a lonely Place` würde problemlos auf einem Gothic Sampler sein zuhause finden und lässt das Gefühl aufkommen, dass diese musikalische Ära gerade einen weiteren Frühling erlebt. Mit `Welt aus Glas` lässt man seine Erfahrung in allen Klangfarben erstrahlen und so kombiniert man das Flair aus deutschem Text, melodischen Elementen (die stark an das ehemalige Sideprojekt Century erinnern) und brachialen Riffs zu einer wirkungsvollen Dampframme, die sich schnell durch die Boxen trümmert. In Sachen Coverversionen ist der Band nichts heilig und man kann ihr auch nicht böse sein. Aber wer bereits vor Ewigkeiten `Temple of Love` gecovert hat, kann sich auch getrost an den Type O Negative Klassiker `My Girlfriend´s girlfriend`wagen und es funktioniert und macht einfach nur Spaß!

Sanftere Töne gibt es bei `After Isolation`, bei dem man u.a.  wieder die Harmonie zwischen atmosphärischen Keyboards und Gitarrenleads genießen kann, ohne dass der Härtegrad runtergeschraubt wird. Warum sind es immer die simplen Kleinigkeiten, die den großen Unterschied machen? `My Own Private God` ist von der Songstruktur und vom Riffing her eigentlich recht simpel, aber mein Gott, knallt das meine Synapsen durch! Die Riffs röcheln sich durch den Song, während das Keyboard problemlos jedem Horror Score Konkurrenz machen könnte. Definitiv meine Lieblingsnummer und hoffentlich auch eine Live-Granate. Auf die Frage, ob Metal hart und tanzbar ist, gibt `Day without Sun’ eine klare Antwort, bei dem auch Freunde der elektronischen Klänge wieder auf ihre Kosten kommen. Man könnte ewig so weiter schwärmen von schönen Halbballaden (`Deep in the silence`), emotionalen Abrissbirnen (`Banished Forever`) , Gänsehautriffs (`Ashes of Despair`) oder Refrains, die einfach nur rausgebrüllt werden müssen (`Toxic Touch`), ehe man mit `das letzte Ticket`den Sack zumacht.

Ich persönlich stecke musikalisch in den 90er Jahren fest und bin der Meinung, dass hier bereits das meiste (für mich) gesagt wurde. Um so mehr freue ich mich, wenn mich junge Bands eines besseren belehren und mir zeigen, dass es auch noch Neues zu entdecken gibt. Wenn ich aber höre, zu welchem leidenschaftlichen Album eine Band in der Lage ist, die bereits seit ihren Anfangstagen fester Bestandteil meines CD Regals (und meines Lebens) ist, kann ich nur ehrfürchtig staunen und mich einfach nur darüber freuen. CREMATORY haben hier ein Album auf den Tisch geprügelt, bei dem ich einfach nur glücklich bin; schickes Cover, Top Produktion, sehr gute Songs und eine Atmosphäre, als hätte man einen Best-Of Bastard zwischen der „…Just Dreaming“ und der „Illusions“ erschaffen und damit in diesem Jahr die Blütezeit der Gothic Ära eingeläutet. Hier hört man eine Band, die sich auf ihre Wurzeln besinnt, ihre langjährige Erfahrung geschickt nutzt und in absoluter Topform spielt. „Destination“ zelebriert ein Revival der Verbrüderung von Gothic- und Metal, das man gehört haben muss!

10 von 10 Punkten

Sebastian Radu Groß

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