CD Reviews

Kari Rueslåtten – „Sørgekåpe “ (CD-REVIEW)

„Die Nacht beherbergt dunkle Stunden,
in denen unsere Gedanken uns heimsuchen
und wir den Kampf gegen die Realität verlieren.“

„Wenn das Morgenlicht sich seinen Weg
durch den Vorhang unserer Gedanken bahnt,
ist unser Verstand zerbrechlich genug, um
aus der Nacht gestärkt hervor zu treten.“

Seltsam, wie schnell die Zeit vergeht; war es nicht gerade noch 1994, als ich erstmals die “Tears Laid In Earth” von 3rd And The Mortal eingelegt habe? Nach der Auflösung erstmal die komplette Diskographie von Kari seit den Demo Recordings bis hin zum letzte Album gehört und gespürt, dass einige Sachen in Würde altern und besser werden. Am 08.05.2020 veröffentlicht Kari ihr mittlerweile achtes Solo-Album und kehrt zurück zu ihren Wurzeln, die sie mit „Spindelsinn“ damals betreten hatte. “Sørgekåpe” heißt nun das kommende Album. Es trägt über 25 Jahre Gesangserfahrung aus unterschiedlichen Stilen (Folk, Metal und Pop) in sich und wurde komplett auf norwegisch eingesungen. Es ist ein sehr intimes und (auch für Kari’s Verhältnisse) ruhiges Album geworden, welches das Licht der Welt in den norwegischen Bergen während der Vorproduktion erblickt hat. Dennoch strahlt es in seinen unterschiedlichen Facetten und birgt genauso viele Geheimnisse, wie eine Nacht, die man alleine mit seinen Gedanken verbringen würde.

Der Titeltrack ist zugänglich, trägt jedoch jene schwermütige Ruhe in sich, die man sonst nur nachts kurz vor der Dämmerung empfinden würde, nachdem man die Dunkelheit als Freund akzeptiert hat. Das leicht countrymäßig angehauchte Svever kommt schon recht unbeschwert daher, ehe es sich in einem wunderschönen Refrain verliert und dessen Atmosphäre zwischen Unschuld und Hoffnung pendelt. Mit Månen lyser ned beschreitet man bereits typische Kari Pfade und mischt akustische Elemente mit eingestreuten Halleffekten. Når mørket faller spannt die Brücke zwischen dem ursprünglichen “Spindelsinn” und der Moderne, als wüsste es nichts von dem Griff der Zeit, während Blind hauptsächlich von einer Akustikgitarre und Piano getragen werde, ehe Kari’s Stimme sie leise umarmt. Aufgelockert wird das Ganze von Alt brenner nå, das wie eine gemütliche Studiosession rüberkommt, ehe Savn wie ein Bonustracks des letzten Album daherkommt. Øye for øye stampft schon fast aggressiv aus den Boxen und reißt ein Loch in die Intimität der Platte, um es gleich mit Storefjel nicht nur zu richten, sondern in einen Abgrund aus Gänsehaut zu saugen, der Kari in absoluter Topform zeigt; hier spiegeln sich alle Facetten ihrer Musikkarriere wider und lassen ehrfürchtig staunen, zuhören und fühlen. Im Verlauf ihrer Karriere hat Kari schon einige Highligts abgeliefert.

Sørgekåpe” ist genau das Referanzalbum geworden, das sämtliche Facetten dieser Ausnahmestimme vereint und gleichzeitig die Rückkehr zu den Wurzeln zeitlos zelebriert. Bedächtig und gleichzeitig nachdenklich, zerbrechlich und doch sehr charismatisch. Mehr Intimität auf einer Platte geht einfach nicht!

9 von 10 Punkten

Sebastian Radu Groß