CD Reviews

LEAVES` EYES – „Myths of Fate“

Wie könnte man seinen 20. Geburtstag feiern? Eine wilde Party mit viel Bier, guter Musik und seinen besten Freunden sind die beste Ausgangslage für einen denkwürdigen Abend. Im Falle von LEAVES´ EYES hat man sich dafür entschieden, die Fans als beste Freunde einzuladen und mit einem würdigen Soundtrack zu versorgen. Bereits der Opener `Forged by Fire` schwebt anfangs episch einher, ehe es den Hörer mit seiner vollen Breitseite erwischt. Die kraftvollen Gitarren legen mit dem Doublebassteppich gut vor, ehe Elina und Alex sich gesanglich den Ball zu spielen und letzten Endes in einem ohrwurmartigen Refrain versenken. Die Worte „Ohrwurm“, „episch“, und „Gänsehaut“ sind übrigens Stammgast bei der Beschreibung des Albums, bei dem man wirklich alles in die Waagschale geworfen hat, was zur Verfügung steht (und das ist eine ganze Menge).

`Realm of Dark Waves`hat eines von von fünf (!) Videos zum Album spendiert bekommen, wobei Alex Krull als Produzent Hand angelegt hat und was sehr hochwertig geworden ist. Zugegeben, `Who Wants To Live Forever` startet cheesy und man hat das Rad hier nicht neu erfunden, aber dank der wuchtigen Produktion und den fetten Gitarren fräst sich der Ohrwurm doch schnell in die Hirnwindungen. `Hammer oft he Gods` hätte stellenweise problemlos auf ATROCITY´s „Atlantis“ einen Platz als Bonustrack gefunden, denn hier findet man die perfekte Balance zwischen alten Death Metal Tagen und epischem Female Fronted Metal anno 2024. `In Eternity` ist in vieler Hinsicht ein besonderer Song; zum einen hat Elina den Song selbst geschrieben, zum anderen wurde der Song von Alex verstorbener Mutter inspiriert und drittens ist es ein ungewöhnlicher Midtempo Song, der live jedoch mit dem Fangesang durch die Decke krachen wird. Mutig und gleichzeitig persönlich, sowas darf man sich nach 20 Jahren Bandhistorie gerne gönnen. `Fear the Serpent` schleust das Wikingerschiff wieder in gewohnte LEAVES´EYES Gefilde, bei der Fans sofort bekommen, was sie erwarten (in gewohnt hoher Qualität).

OK, nun kommt der Stich ins Herz, denn mit `Goddess of he Night` hat man mich eiskalt erwischt; nach einer unerwarteten Gänsehaut und einem Moment der Stille, erblüht hier ein Song, der sich zärtlich aufbaut und am Ende in ein Gitarrensolo gipfelt, das mich in Kombination mit Elina’s Gesang schlichtweg in meinen mentalen Grundfesten erschüttert. Woran kann das liegen? Die professionelle Produktion, ein ausgeklügeltes Songwriting, die charismatische Stimme? Ich könnte eine ganze Rezension über dieses Lied schreiben und zu keinem Ergebnis kommen. Fakt ist, dass es Songs gibt, von denen ich glaube, sie zu kennen, bevor ich sie zum ersten Mal (ganz) gehört habe und die sich auf ewig in meinem Langzeitgedächtnis einnisten. `Goddess oft he Night` ist genauso ein Song und für mich die beste Ballade, die Alex in meinen Augen jemals geschrieben hat und dafür möchte ich ihm und LEAVES‘ EYES aus tiefstem Herzen danken!

Wer eine opulente Bühnenshow mit Wikingerschiffen und Showkämpfen liebt, dürfte mit `Songs of Triglav` den perfekten Soundtrack bekommen, der hoffentlich auch live aufgeführt wird. Bedächtiger geht es mit `Elder Spirit` weiter, wobei sogar ein kurzer Moment der „Werk 80“ durchblitzt, ehe die Fahrt weiter durch das epische Karussell geht. Habe ich schon erwähnt, dass die Gitarrensoli auf diesem Album einfach nur herrlich sind? Zum Glück gibt es davon einige zu entdecken. `Einherjar` steht eigentlich für alles, was diese Band ausmacht; Ohrwurm, episch und Gänsehaut (da waren sie wieder, die drei Worte, die sich ständig wiederholen). Sowohl die epische Bandbreite als auch der kraftvolle Gesang, ein Hauch Brutalität und Gitarrensolo (schon wieder?) ebnen den Weg zu einem Refrain, der live einfach nur einen Krater in diversen Konzerthallen hinterlassen dürfte, wenn die Fans es mit der Band abfeiern. Als Rausschmeißer fungiert `Sail with the Dead`, das aufgrund seines Doublebassteppichs schon eine konstante Grunddynamik hat und im Durchlauf immer wieder mit knackigen Gitarren, Alex Growls und Elina’s Gesang flirtet.

Was gibt es als Sahnehäubchen? Der Name Alexander Krull steht seit Jahren für eine wuchtige Produktion und gleichzeitig einen eigenen Kopf. Er ist perfektionistisch sich selbst gegenüber, besitzt aber zusätzlich die notwendige Gelassenheit, nach fast 40 Jahren Erfahrungen im Musikbusiness sehr viel Herzblut in seine Arbeit einfließen zu lassen. Die Texte erzählen Geschichten, von denen Alex vorher tonnenweise Hintergrundinfos gesammelt hat und sie sowohl auf die Mythologie als auch auf das aktuelle Leben übertragen hat. In Sachen Sound ist die Symbiose aus Atrocity´s Härte und Epic Metal mit einer charismatischen Stimme selten so nah ran an die eigene Perfektion gekommen.

Der Gesamteindruck von „Myths of Fate“ ist ein würdiges Geburtstagsgeschenk von LEAVES` EYES für die Fans. Es ist schön zu wissen, dass es immer noch Konstanten im Leben gibt, auf die man sich verlassen kann! In diesem Sinne: „Thank you fort the music“ und „Prost“ auf weitere 20 Jahre mit LEAVES` EYES!

9 von 10 Punkten

Redakteur: Sebastian Radu Groß

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