Lesen ist Metal ! – Im Interview mit Nico Rose
„Lesen ist Metal“ – Egal, ob Kultbücher wie „Kumpels in Kutten“ , oder „At Dawn They Sleep“, es haben bereits einige Metalfans auch als Autoren ihre Duftmarke im Büchersektor gesetzt, um sich mit dem Phänomen unserer Lieblingsmusik intensiv zu beschäftigen. Nico Rose hat mit „Hard, Heavy & Happy“ die seelisch-emotionale Seite des Metals aus psychologischer Sicht beleuchtet. Sein neues Buch „Heavy Metal B(r)ands“ steht bereits in den Startlöchern; Grund genug, um mit ihm an einem verregneten Karfreitag via Skype über ungelebte Leben, Kürbisse und Konzerte zu plaudern.
„Der Typ ist einer von uns; du musst dir unbedingt sein Buch reinziehen!“ So hat mir mein bester Kumpel Nico’s Buch „Hard, Heavy & Happy“ angepriesen. Bestellt, gelesen und direkt zugestimmt, denn in vielen Passagen spricht mir Nico nicht nur aus der Seele, sondern hat auch ähnliche Erfahrungen, wie ich gemacht. Man hat beim Lesen das Gefühl, dass ein guter Kumpel bei einem (oder mehreren?) Bierchen etwas über die Beschaffenheit des Metals erzählt. Dabei analysiert er viele unterschiedliche Aspekte, ohne den Humor dabei zu verlieren („Wie viele Kalorien verbrenne ich wohl beim Headbangen?“). Mit diesem Feedback starten wir in unser Gespräch, wobei wir auch die Anfänge des Buchprojekts beleuchten.
„Es war kein radikaler Schritt, sondern ein langsamer Prozess in die Selbstständigkeit. Für ein Buch musst du monatelang jeden Tag etwas Zeit investieren, damit es richtig anläuft. Letzten Endes habe ich ja nicht meinen Job für das Buch aufgegeben, sondern mein Fokus ist in erster Linie das Coaching. (weitere Infos auf der Homepage). Das Schreiben ist eigentlich ein Hobby und eine Herzensangelegenheit; machen wir uns nichts vor, reich kann man damit nicht werden. Bei den meisten Lesungen zahle ich drauf und ich kann froh sein, wenn ich teilweise die Hotelkosten rausbekomme, wenn die Lesung mal weiter weg ist. Als 45 jähriger Familienvater zweier Kinder und mit einem Haus hast du nur mit dem Schreiben keine Chance, wenn du nicht gerade ein Bestseller-Autor bist.“
Hier sind schon die ersten Vergleiche zum Bandleben generell zu sehen; Amorphis hatten beispielsweise mit der Veröffentlichung der „Tales from the thousand Lakes“ neue Maßstäbe gesetzt und die Death Metal Szene in Sachen Innovation und Experimenten revolutioniert. Finanziell hatten sie allerdings nichts davon, sondern schliefen auf dem Boden und sahen nur sehr wenig von dem hart erarbeiteten Geld. Weitere Hintergründe kann man sich in der BIOGRAPHIE durchlesen. Dabei stellt sich mir die Frage, was Nico selbst privat liest.
„Ehrlich gesagt lese ich in erster Linie nur Sachbücher“ gibt er lachend zu Protokoll. „Ich würde auch mal gerne eher Goethe oder Shakespeare lesen, aber mich interessiert eher die Literatur, bei der ich auch Input für meine tägliche Arbeit bekomme. Es mag unwahrscheinlich langweilig erscheinen, aber ich habe da ein analytisches Lesebewusstsein und ziehe mir immer die Infos aus den Büchern, die mir bei meiner täglichen Arbeit helfen.“
Mit „Hard, Heavy & Happy“ kann Nico bereits einen Bestseller für sich verbuchen; sein zweites Metal-Buch „Heavy Metal B(r)ands“ kommt im Mai heraus. Grund genug, um nach der Idee zum neuen Hirnfutter nachzufragen.
„Die Idee war einfach da; es gab im Vorfeld keinen großen Plan. Das Thema Marketing kann natürlich sehr trocken sein; trotzdem kann man sich fragen, mit welchen Mitteln einige Bands groß werden bzw. auch groß bleiben. In den 80ern hat man beispielsweise viel mit Plattenverkäufen verdient und die Einnahmen aus der Tour kamen dann noch obendrauf. In den Zeiten von Spotify und Co funktioniert das nicht mehr. Es gibt einige Bands wie z.B. Arch Enemy, die sich langfristig etabliert haben und gut davon leben können. Der Rest hat es da schon viel schwerer. In diesem Buch fließen gleich 2 meiner Interessen zusammen; ich habe mich bereits in meiner Doktorarbeit mit Marketing beschäftigt und mache das ja auch immer noch in meiner täglichen Arbeit. Es gibt da auch in der Metalwelt spannende Parallelen. Eine der größten Gefahren, mit denen erfolgreiche Bands sich rumschlagen müssen, ist z.B. der Vorwurf, alles nur für den Kommerz zu tun. Nimm z.B. Metallica, da gibt es ja teilweise neverending shitstorms. Viele nehmen beispielsweise James Hetfield in Schutz und verteufeln Lars, weil er doch alles nur wegen der Kohle machen würde. Wenn man sich mehr damit beschäftigt (beispielsweise mit der Doku „Some kind of Monster“ – Anmerkung der Redaktion) wird man feststellen, dass Lars und James die beiden kreativen Köpfe der Band sind. Schaut man sich an, was James in sein Jahrbuch der Schule reingeschrieben hat, findet man den Satz „Play Music and get rich“. Das wirft sofort ein anderes Licht auf die Gesamtsituation. Ich habe das Glück, METALLICA erst später für mich entdeckt zu haben. Dadurch kann ich sowohl die alten, als auch die neueren Alben für mich entdecken. Aus Marketingsicht positioniert sich jede Metal-Band anders: Auch in der Metalszene gibt es beispielsweise den Marktführer, den Underdog, den Technikführer oder das Enfant Terrible…“.
Auf die Frage, welche Trademarks von Bands Nico persönlich schätzt, kommen wir schnell in die Nostalgieschiene.
„Da ich ein großer Helloween Fan bin, waren da natürlich die Kürbisse ein ganz großes Ding. Damals hatte ich auch viele Poster und Shirts von den Bands. Gerade bei Markenzeichen von Bands schlägt sich die Brücke leicht zu Marketingstrategien: „Nimm z.B. Eddie von Maiden. Er zählt als Brand Heritage („Marken-Erbe). Jeder kennt die Figur des Eddie und sie ist im Grunde auch immer, wenn auch immer in neuen Umgebungen und mit neuen Details. Dieses Prinzip nennt man „relative Invarianz“. Fans wären schwer enttäuscht, wenn Eddie nicht auf dem Plattencover erscheinen würde. Allerdings gibt es ihn als Samurai, als Dämon oder auch als Pharao. Dadurch haben Maiden eine Kultfigur kreiert, die in ihren Variationen unterschiedlich ist, aber im Kern immer gleichbleibt und den jeder sofort mit der band verbindet.“
Dies ist nur eine der vielen Punkte, die mit „Heavy Metal B(r)ands“ näher behandelt werden.
Wenn man sich doch gut mit Marketing auskennt, drängt sich die Frage auf, ob man nicht auch Lust hätte, für eine Band die Promo zu gestalten. Hier zieht Nico allerdings direkt die Handbremse.
„Das wäre nicht mein Fachgebiet, weil ich mich hier für zu unkreativ halte. Ich kann zwar eine strategische Marktposition ermitteln und gerade für die Bands, die in der heutigen Zeit aufwachsen ist das auch von sehr viel mehr Bedeutung als beispielsweise noch vor 10 Jahren, aber für die Promo braucht es einen kreativen Kopf.“
Hier wird auch die Brücke zu Götz Ulmer geschlagen, der ebenfalls bei „Heavy Metal B(r)ands“ mitgewirkt hat.
„Götz ist definitiv der kreative Kopf! Er ist ja auch Kommunikationsdesigner und hat alles im Buch richtig gut gestaltet. Ich bin für ca. 70% des Inhalts verantwortlich, während Götz den Rest geschrieben und zusätzlich die ganze Gestaltung gemacht hat. Wir haben uns im Wacken-Universum kennengelernt und dann den Metallity Verein mitgegründet. Er ist auch Schlagzeuger und kommt eher aus der Punk Ecke. Außerdem ist er leidenschaftlicher Rose Tattoo Fan. Wir haben uns viel ausgetauscht und es gab bestimmt auch viele Momente während der Entstehungsphase des Buches, in denen er es vielleicht auch bereut hat. Es war sein erstes Buch und er hat die viele Arbeit zu Beginn vielleicht etwas unterschätzt. Aber letzten Endes hat er eine fantastische Arbeit abgeliefert. Ich bin schon gespannt auf die Reaktionen der Leser. Es gibt bestimmt einiges, das sauer aufstößt oder zu kommerziell wirkt. Da haben wir uns gedacht: Wenn schon Kommerzkacke, dann richtig!“
Auch in Sachen Konzerte ist Nico sehr umtriebig. Nach einem kurzen Fachsimpeln über MANOWAR, kommen wir zu seiner Schockliebe THE OTHER, die er auf dem Wacken zum ersten Mal gesehen hat.
„Das war wirklich eine Geschichte: ich war auf dem Wacken und durfte meine Lesung zu „Hard, Heavy & Happy“ machen. Es war ein aufregender, aber auch sehr anstrengender Tag. Ich habe viel gequatscht und auch viele Bücher signiert. Da ich eigentlich eher der introvertierte Typ bin, macht es zwar sehr viel Spaß, aber ich brauche dann auch irgendwann meine Ruhe. Nach dem Tag torkelte ich also an einer Stage vorbei und hab noch die letzten 20 Minuten vom THE OTHER Set mitbekommen. Ich war sofort schockverliebt! Kurioserweise haben wir uns dann später noch getroffen. Ich traf den Sänger backstage beim Essen und meinte nur „Hey, du bist doch der Sänger von THE OTHER.“ Er meinte daraufhin zu mir „Hey, du bist doch der Minister (von Nicos Facebook Seite „Ministerium für Schwermetall“- Anmerkung der Redaktion).“ Nach dem Wacken blieben wir in Kontakt und haben uns gegenseitig Pakete zugeschickt; ich habe ein Shirt bekommen und er mein Buch. Seitdem besuche ich viele Konzerte von THE OTHER, wenn es sich machen lässt.“
Aber auch Pantera, Ghost und Iron Maiden stehen auf dem Zettel. Zu Rammstein hat Nico ebenfalls eine besondere Verbindung:
„Durch Rammstein lerne ich Europa kenne. Ich war schon in Barcelona, Nijmegen und dieses Jahr geht´s nach Budapest.“ Gerade nach der Pandemie dürften viele von uns einen ebenso großen Hunger nach Livekonzerten verspüren.
Wir sprechen viel über Musik, hören sie gerne und schreiben auch darüber. Aber kam mal der Gedanke, sich selbst an ein Instrument zu setzen?
„Ich habe mit 6 Jahren mit Orgelspielen angefangen. Später mit ca. 14 Jahren habe ich dann Metal gehört und auch mit Synthesizern was gemacht. An die Gitarre bin ich erst relativ spät mit 18 rangekommen. Ich habe dann auch Schlagzeug programmiert, Texte geschrieben und Gitarren aufgenommen.“
Was wie ein Multitalent klingt, wird aber in die Vergangenheit verbannt.
„Ich war jung und meine Texte waren melancholisch und beschäftigten sich u.a. mit Liebeskummer und Weltschmerz. Es dauerte aber nicht lange, bis ich mit meinem Leben glücklich und zufrieden war. Heute habe ich das Glück mit einer Familie, 2 Kindern und Katzen in einem Haus zu leben. Ich habe meine alten Aufnahmen teilweise noch auf 3,5 Disketten abgespeichert. Wenn ich die heute mit den Texten veröffentlichen würde, wäre es mir irgendwie peinlich, weil es nicht mehr authentisch wäre. Ich wüsste auch heute nicht mehr, worüber ich schreiben sollte, denn ich bin tatsächlich glücklich.“
Unterm Strich spielt jeder seine eigene Rolle in seinem Leben und im Leben anderer. Statt Musiker zu sein, fällt Nico die Rolle des analytischen (Metal-)Autors zu. Man darf sich definitiv auf weiteren Lesestoff freuen, denn auf seiner Facebook Seite „Ministerium für Schwermetall“ gibt er bereits an, dass er mit dem Gedanken spielt, ein Kinderbuch zu veröffentlichen.
„Vielleicht kennst du die Theorie der „ungelebten Leben“: man fragt sich am Ende des Lebens, ob man nicht etwas verpasst hat. Als Musiker sehe ich mich da nicht, sondern trage da eher meinen Teil mit dem Schreiben bei.“
Hier sind wir uns vollständig einig, denn Schreiben prägt und Lesen ist schließlich ebenfalls Metal, wie eingangs erwähnt. Es wird noch einiges von Nico zu Hören und zu Lesen sein. Wenn ihr auf dem Laufenden bleiben wollt, besucht gerne seine Homepage oder folgt ihm auf seiner Facebook Seite Ministerium für Schwermetall. Das neue Buch kann ebenfalls vorbestellt werden und freut sich auf neugierige Augen.
Redakteur: Sebastian Radu Groß