Rock am Töschen 2023

Im hohen Norden, auf dem Weg nach Sylt oder Husum, kommt man am Ort St. Annen vorbei, wo seit 10 Jahren ein einzigartiges Charity-Festival stattfindet. Das RAT oder Rock am Töschen spendet den gesamten Überschuss an den „Bunten Kreis“ des Westküstenklinikums oder andere Hilfsprojekte wie im letzten Jahr die Ukraine-Hilfe. Es ist ein ganz besonderes Dorffest, bei dem etwa 120 Helfer, Unterstützer und Sponsoren Ende Mai ein Festival für ca. 3000 Menschen aus dem Boden stampfen.

Das Besondere an diesem Festival ist die größte Spielmeile, die gefühlt etwa die Hälfte der Gesamtfläche einnimmt. Neben Hüpfburgen, Clowns, Bullriding, Schminken, Sandkasten und Bogenschießen gibt es auch Seiler und Schäfer zu sehen. Für 1€ kann man fünfmal mit einem schweren Hammer auf ein Frustauto (VW Polo) schlagen, während das Bogenschießen komplett kostenlos angeboten wird. 

Rock am Töschen
Rock am Töschen

Ab 16 Uhr dominieren Familien und Kinder das Fest. In diesem Jahr trat nach der traditionellen Eröffnung durch die Schrägen Hörner der Chor der „Schule am Gehölz“ auf und die Gewinner des „Luftgitarrenwettbewerbs“ der Lehranstalt zeigten ihr Können. Der Platz vor der Bühne war von Anfang an mit Eltern und Großeltern besetzt. Ich habe noch nie so viel Engagement an einem Ort erlebt. Insgesamt gibt es drei Bühnen für Kunst, Pop, Rock und Metal.

Das Musik-Lineup ist gewagt und für jeden Geschmack und jede Generation ist etwas dabei. Selbst Metal-Fans müssen nichts „lahmes“ ertragen, denn auch ältere Menschen bleiben bei den harten Klängen nicht einfach sitzen. Es ist wichtig, dass schon Kindergartenkinder lernen, wie beeindruckend Live-Musik sein kann und wie cool es ist, wenn die Bands sich unter die Gäste mischen. Auf dem RAT erlebt man die Musik hautnah und authentisch. Die weiteste Anreise hatten dieses Jahr 5Raumfenster aus Leipzig, die aus vielen Bewerbungen ausgewählt wurden. Aber auch Bands aus Berlin und weiter entfernten Orten waren bereits Teil dieses besonderen Festivals. So gibt es für Künstler und Publikum immer etwas Frisches zu erleben.

Es ist kaum verwunderlich, dass hier jeder Besucher und Akteur scheinbar jeden kennt, denn von der Feuerwehr über Dorfhelfer, Landwirte, Handwerker, Bürgermeister bis hin zu Clubs sind wirklich alle vor Ort. In einer solchen Umgebung gibt es keine Probleme, denn hier kennt man sich einfach.

Rock am Töschen
Rock am Töschen

Auf dem RAT kann man die steile Entwicklung der Bands verfolgen. Flash Forward war bereits in ihrer Anfangsphase auf der Bühne und haben dieses Mal absolut abgeräumt. Es gab einen gewaltigen Unterschied zu ihrem ersten Auftritt auf dem RAT. Weitere Bands wie Burning Fuse, Holly Would Surrender, Die Muskelschweine, 5Raumfenster, Coffin Crew und Die Andersons waren ebenfalls voll dabei. Die Bands bekommen wie bei Charity-Events üblich keine Gage und so nehmen gerade Newcomer diese Chance gerne wahr vor einem größeren Publikum zu spielen. Wer hier besteht, der wird anderswo keine Scheu mehr haben, richtig auf die Trommel zu hauen. Die Shows aller Bands an diesem Wochenende waren gerade wegen der unterschiedlichen Genres wieder besonders sehenswert. Aber auch das Publikum schaltet hier im Norden enorm schnell um und geht gerne mal mit. Man darf nicht vergessen, wenn man im Norden anerkennend mit dem Fuß wippt, gilt es hierzulande schon als Vorstufe zur musikalischen Eskalation.

Nach der Party gibt es bis in den frühen Morgen Musik aus der Konserve. Dies bedeutet, erst wenn die Sonne lang aufgegangen ist, gehen die letzten Gäste vom Platz und die Helfer haben endlich Feierabend. Die Muskelschweine und die Coffin Crew sind als Lokalmatadoren seit Jahren feste Programmpunkte. Das Publikum ist natürlich textsicher und steht dann sofort vor der Bühne. Da Manni, die Legende der Coffin Crew, eine frappierende Ähnlichkeit mit Lemmy Killmister von Motörhead hat, ist klar, wohin die Reise ab Mitternacht geht. Mitten im Song wird dann auch mal aus der Jack Daniels Flasche auf der Bühne pur genossen. Jede der Generationen hat damit automatisch ein Highlight an dem Tag der Veranstaltung oder macht die eine oder andere musikalische Entdeckung.

Rock am Töschen
Rock am Töschen

Die Veranstalter versprechen, dass Rock am Töschen seinen familiären Charakter behalten wird und ein besonderes Fest zum Start jedes Sommers ist. Meiner Beobachtung nach reißen einige Menschen mit tollen Ideen ihre Nachbarn und Freunde mit, die nur auf so etwas wie RAT gewartet haben, und dann gibt es kein Halten mehr. Jeder, der etwas beitragen kann, bringt es einfach mit. Egal ob ein Lohnunternehmer, der Sand mit einem Schlepper abliefert, oder der Bürgermeister, der den Kindern zeigt, wie man feste Seile herstellt. Ich durfte das Rock am Töschen auch schon bei Regen und kaltem Wind genießen und kann versichern, dass es im Kreis Dithmarschen kein schlechtes Wetter gibt. In diesem Jahr schien wieder die Sonne und alles war so, wie es sein sollte. Während andere Veranstaltungen nach der Pandemie Schwierigkeiten hatten, war Töschen sofort wieder da. Dies ist der Idee und den Menschen des Festivals zu verdanken, und nicht selbstverständlich.

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wären es mehr solcher Veranstaltungen für alle Generationen und für den Zusammenhalt, wo auch immer es möglich ist. St. Annen, Lehe und Lunden zeigen, was möglich ist, und demonstrieren durch ihr Engagement, wie es geht. Man spricht miteinander und von Jahr zu Jahr wird es automatisch besser, während man seine Nachbarn einfach mitnimmt.

Alle Fotos gibt es unter Rock am Töschen auf facebook.

Bericht und Fotos Dirk Jacobs / Nicole Crystall

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