CHRISTIAN KRUMM – Lesen ist Metal

Christian Krumm ist im Ruhrpott bereits eine gestandene Größe, wenn es um die Verbindung zwischen Büchern und Metal geht. Der Startschuss fiel gemeinsam mit Hogler Schmenk mit „Kumpels in Kutten“ bei dem über 60 Interviews und Bandhintergründe der Metalszene beleuchtet wurden. Im Anschluss widmete sich Christian 6 Monate lang backstage der Arbeit einer Plattenfirma und veröffentlichte „CENTURY MEDIA- Die Geschichte eines Labels“. Hier kamen neben dem chaotischen Werdegang auch viele Anekdoten auf den Tisch, nach denen man seine Plattensammlung unter neuen Gesichtspunkten durch hörte. Nachdem die Metalszene beleuchtet wurde, widmete sich Christian seiner ersten Bandbiographie, bei der MORGOTH Pate standen. Mein erster direkter Kontakt zu ihm begann während der Promo von „At Dawn They Sleep“; hier schrieb er einen Roman mitten aus dem Leben eines Metalheads, der vielen Fans der Szene aus der Seele spricht. Der Spagat zwischen der Leidenschaft zur Musik und dem „normalen“ Leben (Spieleabend), der Aufstieg in der Szene und die Abgründe einer Parallelwelt haben mir ebenfalls schlaflose Nächte bereitet, denn das Buch will nicht nur unterhalten, sondern schießt auch direkt ins Herz. Mit „Traumschrott“ ging es weg von der Metalszene, und hin zu 11 Kurzgeschichten, die von einem packenden Rahmen gehalten werden. In seinem aktuellen Roman „Heaven 11“ baut Christian seine Kompetenzen aus und widmet sich ganz dem Alltag einer Psychiatrie. Die Frage nach der mentalen Gesundheit wird hier von einem differenzierten Licht beleuchtet und verschafft eine intensive Perspektive zu diesem Thema.

Hallo Christian und erst einmal vielen Dank für deine Zeit. Bitte stell dich einmal kurz unseren Lesern vor, die noch nichts von dir gehört haben.

Sehr gerne, wobei Du ja auch schon einiges erzählt hast. 😉 Hauptberuflich arbeite ich an der Uni Duisburg-Essen als Dozent für wissenschaftliches Schreiben. Ursprünglich habe ich Geschichte studiert und bin so auch zum Schreiben von Büchern über Heavy Metal gekommen, denn Holger Schmenk war damals mein Kollege am Lehrstuhl. Und obwohl mir die Sachbücher, besonders wegen der vielen Interviews, immer sehr viel Spaß gemacht haben, bin ich doch dem Schreiben von Romanen und Geschichten verfallen. An der Uni gebe ich auch regelmäßig Seminare für Studenten, die in ihrer Freizeit Geschichten schreiben. Insofern gehörten mein Roman „At Dawn They Sleep“ und dann die weiteren Bücher „Traumschrott“ und „Heaven 11“ zu dem natürlichen Prozess, der mich dorthin geführt hat, wo ich eigentlich hinwollte.

Wie hast du damals deine Leidenschaft zum Schreiben entdeckt und kannst du dich an deine ersten lyrischen Gehversuche noch erinnern?

Nach dem Abitur wollte ich eigentlich Journalist werden, naja und Rockstar, aber das ging wohl Vielen so. Ich habe dann ein paar Jahre freiberuflich für eine Zeitung gearbeitet, aber irgendwann gemerkt, dass ich mich bei diesen kurzen Texten nicht wirklich austoben. Kurz nach meinem Uni-Abschluss habe ich angefangen Geschichten zu schreiben und eigentlich nie damit aufgehört. Die Sachbücher kamen mehr oder weniger dazwischen. Die Geschichten, die ich damals geschrieben habe, sind dann in überarbeiteter Form in die Sammlung „Traumschrott“ gewandert. Insofern ist das eine Sammlung der ersten Gehversuche.

Deine Leidenschaft für Metal wurde in mehreren Büchern thematisiert; erzähl uns bitte, wie du metalfiziert wurdest. Welcher Song oder welche Band hat dir den Weg zur Metalszene geebnet?

Ganz eindeutig „Civil War“ von Guns N‘ Roses. Ich stand eines morgens vor dem Spiegel mit Walkman auf (man hört, dass ich in den 70ern geboren wurde) und da lief dieser Song. Der war ja die B-Seite von „You could be mine“ und eigentlich nur zufällig auf meinem Mix-Tape gelandet. Ich hörte die Gitarren und sie erzeugten in mir ein Gefühl von Energie, das ich bis heute spüre, wenn ich diesen Song höre. Dann kamen Blind Guardian hinzu, für die ich mich eigentlich erst einmal nur interessierte, weil sie auch aus Krefeld kommen. Naja, der Rest kam dann aber wie von selbst.

Kannst du dich noch an dein erstes Konzert/Bandshirt erinnern? Was war dein letztes Konzert, das du besucht hast und welches Shirt hast du dir als letztes gekauft?

Das erste Konzert war Iron Maiden 1993 in der Essener Grugahalle. Das war einfach unfassbar, noch mit Dickinson, bevor er dann zwischenzeitlich ging. Dass das ein unglaublich prägendes Erlebnis war, brauche ich wohl keinem Metalhead erzählen. Das erste Bandshirt war von Blind Guardian, das, was ich mir als letztes gekauft habe, war von dem Konzert von Pain of Salvation in der Zeche Bochum. Die haben mit „In the passing light of day“ ein Album vorgelegt, das mir immer wieder Schauer über den Rücken treibt, wenn ich nur daran denke. Und das Konzert war der Hammer. So eine Band in der nicht einmal ausverkauften Zeche zu sehen, das ist ein großes Geschenk. Da wusste ich wieder, warum Metal einfach so eine tolle Musik ist.

Dein Roman „At Dawn They Sleep“ erzählt die Geschichte eines Metalheads, der mitten in der Szene ist. Angefangen als Fanboy, mausert er sich später zu einer Größe in einer Szene, in der sich nicht nur eine starke Gemeinschaft, sondern auch einige Abgründe auftun. Welche Parallelen gibt es zur Metalszene, die du erlebst und wie hast du damals deine Recherchen durchgeführt?

Für den Roman musste ich gar nicht recherchieren, denn ich hatte ja vorher die ganzen Interviews für „Kumpels in Kutten“ und „Century Media“ geführt. Nachdem die beiden Bücher fertig waren, hatte ich zwar eine ganze Menge über Bands, die Szene und das Geschäft geschrieben, aber das Gefühl blieb zurück, dass ich dennoch den Punkt noch nicht wirklich getroffen hatte. Das, so meine Überzeugung, konnte nur mit einem Roman funktionieren, denn Metal ist ein Gefühl und das lässt sich nicht auf rationalem Wege erklären. So ist „At Dawn They Sleep“ das pure Gefühl, das nach den Sachbücher übrig geblieben war und unbedingt raus musste. Und das, kann man so sagen, sind auch die Parallelen des Romans zur Szene, eine recht subjektive Schilderung, aber ich habe gehört, dass viele Metalheads auch ähnliche Leute kennen. Schon witzig. 😊

In „Traumschrott“ hast du mehrere Kurzgeschichten versammelt, die inhaltlich durch einen kurzen Handlungsstrang zusammengehalten werden. Allerdings durchbrichst du mit dieser kleinen Handlung die vierte Wand zum Leser, und erwischst ihn auf der Zielgeraden sehr unvorbereitet. Wie kam es zu der Idee und hattest du als Leser selbst schon mal so einer Erfahrung, die dich dazu inspiriert hat?

Speziell das Durchbrechen der Vierten Wand hatte ich schon einmal bei einem italienischen Autor namens Italo Calvino erlebt, in seinem Buch „Wenn ein Reisender in einer Winternacht“. Das hat mich tief beeindruckt. Aber das hat mir eigentlich nur das Bewusstsein um dieses „Werkzeug“ gebracht. Bei Traumschrott war es so, dass ich zwar als Autor mit den Geschichten ganz zufrieden war, mich aber als Leser immer noch so außen vor fühlte. Ich wusste nichts mit den Geschichten anzufangen, wenn sie nicht in einen großen Zusammenhang gestellt werden und wenn dabei nicht ich als Leser unmittelbar betroffen bin. Manche der Geschichten sind ja auch etwas abstrakt, aber ich wollte eben, dass der Leser in der Sammlung merkt, dass es auch um seine Träume, Wünsche und Bedürfnisse geht, unabhängig davon, welchen Inhalts sie sind. Also musste ich den Leser in die Geschichte mit hineinziehen, meine Sache zu seiner machen, und ich bin mit dem Ergebnis doch sehr zufrieden. So wurde für mich aus einer Improvisation das Herzstück des Buches. So geht das manchmal.

Zu „Heaven 11“ hatte ich ja damals ein (recht umfangreiches) Manuskript, dass sich deutlich von dem veröffentlichten Roman unterscheidet. Wie kam es zu den Veränderungen und wie hat sich das für dich persönlich angefühlt?

Ja, da kann mal wieder sehen, wie sehr das Schreiben doch einem Marathonlauf ähnelt. Man rackert sich eine gefühlte Ewigkeit ab und dann kommt es doch auf die letzten Sekunden auf der Zielgerade an. Ähnlich wie bei „Traumschrott“ traten die entscheidenden Veränderungen bei der Überarbeitung ein, dieses Mal allerdings auf den Hinweis einer befreundeten Autorin hin, die das Manuskript zur Probe gelesen hatte. Anja Bagus heißt sie und sie schrieb mir, ich solle mich voll auf die Station konzentrieren und den Rest weglassen. So wurden innerhalb von sechs Wochen aus 550 Seiten 300 und die Geschichte bekam eine andere Stoßrichtung. Die gestrichenen Passagen schwingen zwar noch so im Hintergrund mit, aber die Geschichte steht auch für sich und funktioniert besser ohne. Aber wenn ich jemals einen zweiten Teil schreibe, habe ich auf jeden Fall jede Menge Material. Persönlich fühlte es sich für mich zuerst an, als würde ich mir selbst einen Arm amputieren, aber danach war das Gefühl nur noch positiv, frei und die Rezensionen geben Anja in jedem Punkt Recht. Das Buch kommt überwältigend gut an.

Die Geschichte lädt den Leser ein, sich intensiv mit den unterschiedlichen Strukturen unseres Verstandes auseinander zu setzen. Das Thema bietet extrem viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren; warum hast du dich für dieses Thema entscheiden und wie bist du an die Geschichte ran gegangen?

Ich habe als Zivi und später als ungelernter Pfleger in der geschlossenen Psychiatrie gearbeitet, 5 Jahre insgesamt. Als ich von dort wegging, um meinen Unijob anzutreten, habe ich mir vorgenommen, ein Buch darüber zu schreiben. Damals dachte ich noch gar nicht daran, jemals ein Buch zu veröffentlichen, aber dieser Gedanke war seitdem immer lebendig, womöglich sogar der Grund, warum ich überhaupt mit dem Schreiben begonnen habe. Nachdem dann alle anderen Bücher erledigt waren, habe ich mich hingesetzt und zunächst Anekdoten und Erlebnisse aus dieser Zeit aufgeschrieben. An wieviel ich mich noch erinnern konnte, zeigte mir einmal mehr, wie prägend diese Zeit für mich war. Die Geschichte sollte dann so funktionieren, dass der Leser spürt, welchen ungeheuren Einfluss der Umgang mit psychisch kranken Menschen auf das eigene Selbstbild und den Blick auf die Gesellschaft hat. Das wird man nie wieder los und diese Erfahrung wollte ich mit Interessierten teilen. Ich glaube, das ist ganz gut gelungen.

Die Atmosphäre hat mich sehr an meine Zivildienstzeit erinnert; auch wenn es eine andere Einrichtung war (Wohnheim für behinderte Menschen), so habe denke ich, dass die Patienten deines Buchs (bzw. die Bewohner meiner Einrichtung) Struktur, Vertrauen und menschliche Nähe benötigen, um ihren Alltag und ihr Leben bewerkstelligen zu können. Dennoch lebt jeder in seiner eigenen Welt und das einzige, was denjenigen von uns Leuten in der „freien Wildbahn“ unterscheidet ist, dass wir uns um uns selbst kümmern müssen und weniger kontrolliert werden. Unterm Strich empfindet jeder von uns das Leben auf seine eigenen Weise und handelt entsprechend. Was davon als „krank“ oder „unnatürlich“ angesehen ist, ist das, was von der Gesellschaft und den Erwartungen definiert wird. Wie siehst du das?

Genauso. Ich lasse das so stehen, denn auch darum geht es in „Heaven 11“. Der Wahnsinn findet nicht drinnen statt (also auf der Station), sondern draußen.

Du hast mittlerweile einige Bücher auf dem Kerbholz. Wie fühlt es sich für die als Autor an, wenn du auf deine (teils sehr unterschiedliche) Werke zurückblickst?

Spannend. Bücher sind wie Kinder (wobei ich ja keine habe, aber ich glaube der Vergleich taugt trotzdem). Jedes Buch ist ein kleiner Mikrokosmos für sich und ich liebe jedes einzelne auf seine Art. Natürlich habe ich auch meine Lieblinge, aber dass das verwerflich ist, so weit muss man den Vergleich mit den Kindern dann doch nicht treiben. Zum Beispiel bin ich immer noch unendlich stolz auf das Century-Media-Buch. Ich halte es in seiner Art für einzigartig, weil in keinem Sachbuch das Musikgeschäft so nah am Geschehen beschrieben wird. Von dem, was ich in dieser Zeit, in der ich bei Century Media fast so praktikantenmäßig ein- und ausgegangen bin, habe ich unendlich viel gelernt und vieles davon steckt auch in dem Buch. „At Dawn They Sleep“ wiederum war ein außerordentlicher Kraftakt, die reine Selbstverwirklichung, bei der ich vielleicht noch ein wenig mehr an der Leser hätte denken sollen. Aber darum ging es in dem Buch nicht, sondern allein um das Gefühl, das ich mit der Metalszene verbinde. Es ist ein lustiges Gefühl, dass ich tatsächlich in der Regel mit Büchern immer zufriedener werde. Was anderes bringt ja auch nichts, denn sie sind ja schon geschrieben. Dafür bin ich mit dem aktuellen Buch immer sehr unzufrieden und das ändert sich auch gewöhnlich nicht, bis es draußen ist. Am Ende fühle ich mich wie ein 90jähriger im Rollstuhl und die Lektoren und Probeleser sind meine Pfleger, die mir bei den kleinsten Kleinigkeiten helfen müssen. Aber so hat es bislang noch immer gut funktioniert.

Wie gehst du ein neues Buch an? Hast du eine bestimmte Technik, oder lässt du dich inspirieren, sammelst und sortierst im Anschluss?

Zwei meiner liebsten Autoren, Umberto Eco und Stephen King, haben, jeder auf seine Art, das Schreiben sehr treffen beschrieben. Eco sagt: „Schreiben ist 10 % Inspiration und 90 % Transpiration“ und King schreibt irgendetwas von einem Tunnel voller Scheiße, durch den man kriechen muss. Genauso ist das. Es gibt eine Idee, die den Anfang setzt und danach läuft es eigentlich immer so: „Ah, das ist eine Mega-Idee“ – schreib, schreib, schreib – „Ach ne, eigentlich ist das total scheiße!“ – verzweifel, fluch, ich kann nix, ich hör auf, leckt mich doch alle! So geht das mit 9 von 10 Ideen, die mir zu einer Geschichte kommen. Für mich gibt es nur einen Weg, ein Buch zu schreiben: Man muss es einfach wollen, alles hinterfragen, immer prüfen, ob und wie etwas funktioniert und dem Willen, eine gute Geschichte zu schreiben, alles andere unterordnen. Für mein neues Manuskript habe ich bereits 300 Seiten geschrieben, davon bin ich zufrieden mit ungefähr 40. Der Rest ist nur der Weg zu etwas Besserem. Man muss extrem ruhig bleiben und sich immer wieder überwinden. Das ist für mich die einzige Technik. Der Rest ist Fühlen. Man muss schwitzen, lachen, weinen, Angst haben, während man schreibt, dann ist es richtig. Und das kann man nur, wenn man frei von dem Gedanken ist, dass man ein Buch schreiben MUSS. Es muss einfach gewollt sein. Klingt nicht sehr hilfreich, aber ich glaube, die meisten Autoren würden mir da zustimmen.

Du hast in deinen Anfangstagen mit Holger und Nicole Schmenk zusammen gearbeitet und hast seit einigen Jahren eine feste Kooperation mit Edition Roter Drache. Bitte erzähl uns, wie es damals zur Zusammenarbeit gekommen ist und was diese Kooperation heute noch für dich reizvoll macht.

Edition Roter Drache ist ein großartiger Verlag. Natürlich läuft nicht alles immer so, wie man sich das wünscht, aber menschlich gibt es nichts Besseres. Die Autoren sind tatsächlich wie eine große Familie und da sind ja wirklich ein paar durchaus nennenswerte dabei wie Luci van Org, Axel Hildebrandt, Christian von Aster, Tommi Krappweiß, Marc Benecke usw. Natürlich kenne ich nicht alle persönlich, das ergibt sich eher zufällig auf gemeinsamen Messen und Lesungen. Und diese Atmosphäre liegt eben daran, dass der Verleger Holger Klimannel so ein großartiger Typ ist, der wirklich alles für die Bücher tut. Wenn Du als Autor das Gefühl hast, dass Dein Verleger mindestens ebenso hart für Dein Buch arbeitet, wie Du, dann ist das ein großes Glück. Außerdem kann er exzellent Bücher setzen, die werden immer echte Schmuckstücke. Kennen gelernt habe ich ihn über den ehemaligen Morgoth-Sänger Marc Grewe. Der hatte mich seinerzeit für die Morgoth-Biografie vorgeschlagen, die ich ja dann auch geschrieben habe. Naja, und dann sagte Holger zu mir: Wenn Du noch was hast, immer her damit. Und so war ich drin. Das sehe ich als großes Glück an.

Du bist (genau wie ich) ein großer BLIND GUARDIAN Fan; erzähl uns doch mal, wie du das letzte Album erlebt hast und ob was du vom neuen Album erwartest.

Meinst Du das Orchester-Album? Ich gebe zu, dass ich die Begeisterung nicht so ganz teile. Es ist zwar ein atemberaubendes Werk, funktioniert aber für mich persönlich nicht so gut, wie die regulären Alben. Liegt aber auch daran, dass ich „Beyond the red mirror“ für ein Meisterwerk halte. Das hat allerdings einen Makel. Die Story des Albums ist sehr undurchsichtig und funktioniert für meinen Geschmack nicht. Da taten Guardian doch gut daran, dass sie sich früher bei Tolkien bedient haben. Und ich glaube sogar, sie sehen das ähnlich, denn für das aktuelle Album haben sie sich ja mit Markus Heitz einen DER deutschen Fantasy-Autoren der Gegenwart geholt. Das ist natürlich super. Ist übrigens auch ein netter Typ, den habe ich mal kennen gelernt, weil ich auf einer Konvention direkt nach ihm gelesen habe, allerdings mit ein paar weniger Zuschauer (hüstel). Also, konzeptionell, von der Umsetzung her, ein nahezu perfektes Werk, wie es bei Blind Guardian so ist, aber eben nicht so mein Geschmack. Ich bin gespannt, was jetzt kommt.

Hast du noch andere Tipps, welche coolen Alben man sich aktuell anhören sollte? Was sind deine Top 5 Lieblingsalben, die immer gehen?

Ich bin vielleicht nicht immer so Up-to-date, weil ich weniger die aktuellen Releases verfolge, sondern auch gerne in den Tiefen der Musikhistorie stöbere. Dort habe ich ein Album gefunden, das auch von Mikael Akerfeld in einem Youtube-Video empfohlen wurde: Song for all seasons von The Renaissance. Cooles Ding, gebe ich ihm Recht, eher seicht, 70s-Prog, aber eben mein Geschmack. Ansonsten das oben erwähnte Pain of Salvation-Album, ebenso „Remedy Lane“ von dieser Band, einfach großartig. „Eternal“ von Stratovarius höre ich in letzter Zeit wieder sehr, sehr gerne, außerdem „Watershed“ von Opeth. Das sind so die Favoriten im Moment, neben vielen alten Schätzchen von Dream Theater, Genesis oder auf Dire Straits, die bei mir immer gehen.

Hast du eigentlich ein Stammfestival, bei dem man dich antreffen kann?

In letzter Zeit bin ich etwas draußen, was Festivals angeht, nicht nur wegen Corona. Aber wenn dann sicher das Rock Hard Festival, das Dong Open Air oder das Nord Open Air. Die gehen eigentlich immer.

Wie schaut´s bei dir mit Büchern aus? Welche Autoren/Genres liest du gerne und warum? Gibt es für dich einen Unterschied zwischen dem Lesen und sich inspirieren lassen?

Den gibt es eigentlich nicht. Für mich ist es nach Heaven 11 die vordringliche Frage, in welches Genre ich meine Geschichten entwickeln will. Das Genre ist bei Autoren fast noch wichtiger als bei Musikern, da man ja bei Bands schon einmal einen Song hören kann, um zu verstehen, welche Musik sie machen. Bei Autoren müsste man mindestens ein ganzes Buch lesen und das kostet Zeit. Daher nehmen die Leser den Genre-Hinweis immer dankbar an. Ich habe bereits eine Horror-Kurzgeschichte für eine Anthologie geschrieben und mit Heaven 11 in Kombination dachte ich mir, Psycho-Horror wäre eine gute Sache. Also las ich ein paar Klassiker, besonders natürlich Stephen King. Die Herausforderung dieses Genres ist, dass man verstehen muss, was einem Leser so richtig das Gruseln lehrt, wenn man eben nicht die Möglichkeit hat, Bilder zu zeigen wie im Film. Dafür suche ich nach Werkzeugen. Viele Autoren dieses Genres retten sich damit, dass sie brutale Geschichten schreiben. Das will ich nicht. Ich will, dass die Leute sich gruseln, nicht ekeln. Also las ich zum Beispiel endlich „Carrie“ und „Shining“, was ich schon immer vor hatte. Das war ganz aufschlussreich, aber ich stehe da noch am Anfang.

Du bist Dozent an der Uni für wissenschaftliches Schreiben; privat tobst du dich in Sachen kreativem Schreiben aus. Hält sich das bei dir gegenseitig die Balance, oder fällt es dir manchmal schwer, beides in Einklang zu bringen?

Das ist kein Problem, eher im Gegenteil. Natürlich hätte ich manchmal gerne mehr Zeit zum Schreiben, aber die Arbeit bringt mich auf andere Gedanken. Außerdem lerne ich an der Uni jede Menge Studenten kennen, die liebend gerne schreiben. Das sorgt für jede Menge Inspiration, und Kontakte nebenbei. Der Vater einer meiner Studentinnen zum Beispiel ist Autor für Perry Rhodan und hat mir den Kontakt zu Andreas Eschbach ermöglicht, der tatsächlich dann auch zu Besuch in meinem Seminar war und über das Schreiben erzählt hat. Das war großartig. Also, ich bin sehr glücklich mit dieser zweigleisigen Arbeit.

Kannst du dich noch daran erinnern, als du dein erstes Manuskript einem Verlag vorgelegt hast? Was war das für ein Gefühl und wie unterscheidet sich der Adrenalinkick von heute?

Es ist schon ein beruhigendes Gefühl, dass ich einen Verlag habe, der gewöhnlich meine Geschichten veröffentlicht. Aber der Kick ist immer noch da, gerade wenn die Phase der Probeleser kommt. Mein erstes Manuskript habe ich vor Jahren einem Verlag in meiner Heimatstadt Krefeld vorgelegt. Die Verlegerin war sehr nett und gab mir jede Menge Tipps, hat aber letztlich das Manuskript abgelehnt. Es war aber auch wirklich schlecht. Letztlich ist es gar nicht einmal so ein großes Problem, einen Verlag zu finden, wenn man ein Manuskript hat, besonders, wenn es eindeutig einem Genre zugeordnet werden kann. Aber den passenden zu finden, ist schon wieder wie die Nadel im Heuhaufen suchen. Und die kleinen Verlage haben tatsächlich schwer zu kämpfen. Als Autor muss man damit rechnen, auch selbst sehr viel Promotion zu machen. Aber wo ist das nicht so?

Kannst du dir vorstellen, noch ein Buch in Bezug auf Musik zu schreiben? Welche Zukunftspläne gibt es bei dir?

Die Psycho-Mystery-Horrorgeschichten sind das Projekt, an dem ich jetzt arbeite. Ich träume von einer klassischen Spukhaus-Geschichte, die aber eben auch diese Psycho-Elemente von Heaven 11 hat. Mal sehen, ist ein langer Weg. Bücher über Musik – das Thema ist erst einmal durch. Mein Plan war: Szenebuch, Plattenfirmabuch, Bandbiografie, Roman, alles habe ich gemacht. Daher konzentriere ich mich auf andere Dinge.

Danke für deine Zeit und das coole Interview! Einige abschließende Worte an unsere Leser?

Danke Dir. 😊 Gerne, ich bemerke immer wieder, dass Leser und auch Rezensenten sich nicht unbedingt trauen, mit einem Autor in Verbindung zu treten. Macht das ruhig, sagt mir Eure Meinung, wenn Ihr eines meiner Bücher gelesen habt. Feedback ist immer toll!

 

Durch das Interview führte: Sebastian Radu Groß

 

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