NORTHERN SILENCE SPECIAL

Metalheadz des älteren Semesters kennen noch die Zeiten, in denen es kein Internet, YouTube und Social Media gab. EMP und NUCLEAR BLAST waren unsere Bibel, bei denen man regelmäßig seine Sammlung aufstockte. Fans des erlesenen Black Metals erfreuen sich seit 2003 an dem Label NORTHERN SILENCE, das neben einem extrem abwechslungsreichem Angebot (von räudig, bis symphonisch – alle Black Metal Arten sind vertreten) auch noch den alten Spirit lebt: mit Herzblut präsentierte Bands, teilweise limitierte Sammlerstücke und ein schöner Mix aus Vinyl, CD und Shirts. Wir sprachen mit Torsten von NORTHERN SILENCE über sein langjähriges Soloprojekt, Sammelleidenschaft und einigen Bands.

Hallo Torsten und erstmal vielen Dank für deine Zeit! Bitte stelle den Leuten, die Northern Silence noch nicht kennen, kurz vor.

Das Label wurde 2003 von mir gegründet und wird seitdem als „Soloprojekt“ betrieben. Die ersten beiden Releases waren ein exklusives Nåstrond Shirt und Endstille’s «Frühlingserwachen» Album auf Vinyl in 2003. Danach ging es stetig bergauf, mit etwa 10-15 Neuveröffentlichungen pro Jahr. Zu den nennenswertesten Releases der Anfangsjahre gehören u.a. Katatonia’s „Brave Murder Day“ Album auf Vinyl sowie die Debut-Veröffentlichungen von Amesoeurs, Fen und Nasheim.

Erzähl uns bitte noch etwas über die Entstehungsgeschichte; wie kam es zur Gründung und wie hat sich alles entwickelt?

Ich war seit Mitte der 1990er Jahre Vinylsammler und hatte durch viel Tauscherei und Schnäppchenjagd auf eBay und anderswo eine beachtliche Menge an Black Metal Tonträgern gesammelt, die ich zum Teil doppelt besaß und wieder verkaufen oder tauschen konnte. Als Sammler ist man ja darauf bedacht, Raritäten im bestmöglichen Zustand zu ergattern, und nicht ganz so schöne Exemplare wieder loszuwerden. So hatte sich im Verlauf einiger Jahre ein kleiner Mailorder entwickelt, der vor allem als Anlaufstelle für Sammler von Black Metal Raritäten galt. Dadurch, dass ich Gewinne immer wieder in neue Einkäufe steckte, wuchsen sowohl Bestand als auch Kundenstamm immer weiter. 2003 fasste ich schließlich den Entschluss, künftig mein eigener Chef zu sein und schlug den Weg in die Selbständigkeit ein.

Bei dem Namen Northern Silence musste ich direkt an die Katatonia EP „Jhva Elohim Meth“ und den Song `The Northern Silence` denken. War das der Grund für die Namensgebung? Schließlich passt es von der Atmopshäre und den Bands sehr gut (extrem vielschichtiger Black Metal mit tonnenweise melodischen Einflüssen).

Das war tatsächlich der Grund. Katatonia waren Mitte der 90er meine absolute Lieblingsband, und „Dance of December Souls“ ist nach wie vor für mich das beste Album aller Zeiten. Wie sich im Laufe der Zeit herausstellte, hat „Northern Silence“ noch eine weitere signifikante Bedeutung für mein Leben, auf die ich hier jedoch nicht näher eingehe, weil sie nichts mit Musik zu tun hat.

Ihr habt eure Homepage aktualisiert und dadurch ist es um einiges komfortabler geworden bei euch zu bestellen. Hat sich durch die Umgestaltung eurer Homepage etwas bei euren Kunden getan bzw. gab es Feedback nach eurer Umgestaltung?

Das Feedback zum neuen Shop war durchgehend positiv. Wenn man bedenkt, dass wir da alles in allem rund 25.000 Euro reingesteckt haben und auch die laufenden Kosten nicht ohne sind, sollte sich das aber auch bezahlt machen. Von diversen kleineren Macken abgesehen erleichtert er uns unsere Arbeit jedenfalls ungemein im Vergleich zu früher.

Corona hat die Welt stellenweise zum Stillstand gebracht; massig Konzerte/Festivals liegen brach und viele Künstler nutzen die Möglichkeit, neue Alben aufzunehmen. Macht sich das bei Northern Silence ebenfalls bemerkbar?

Wir merken davon nur insofern etwas, als dass die Anzahl an Bestellungen merklich zugenommen hat. Das wiederum bietet uns die Möglichkeit, mehr Alben zu veröffentlichen und dadurch mehr Bands bekannter zu machen. Von daher hat das Ganze für uns mehr Vor- als Nachteile, wenn man mal davon absieht, dass aktuell kaum bzw. keine Konzerte und Festivals stattfinden, und dass Vinyl pressen lassen mittlerweile fast so lange dauert wie eine Schwangerschaft.

Wie hast du die Anfänge und den aktuellen Stand der Corona Pandemie persönlich erlebt? Gab es für dich viele Einschränkungen, oder war es eher lästiges Beiwerk?

Es gab und gibt bei mir bzw. uns keine nennenswerten Einschränkungen. Die Sache wäre hier keinem großartig aufgefallen, wenn das Thema nicht von Politik und Medien derart aufgebauscht worden wäre.

Ich kann mir vorstellen, dass sehr viele Künstler bei Northern Silence eher auf Albumveröffentlichungen, als auf Konzerte setzen. Wie empfindest du das?

Das ist tatsächlich so, und wir haben auch viele Solo-Projekte unter Vertrag, wo sich Live-Auftritte von vornherein sowieso ausschließen, außer vielleicht bei Dungeon Synth. Unabhängig davon sind meine Mitarbeiter Lee und Caro jedoch beide aktiv, was die Organisation von Konzerten und Festivals angeht. Deshalb sollte es auch kein Problem sein, unseren Bands Live-Auftritte zu ermöglichen, sobald der gegenwärtige Ausnahmezustand beendet ist.

Lass uns einen kleinen Blick auf die aktuellsten Releases werfen:

GELURE: extrem atmosphärischer Ambient Soundtrack, der von der Welt Akulon handelt. Keine Gitarren, kein Geballer, ausschließlich Atmosphäre, die mich innerhalb weniger Sekunden komplett gepackt hat. Erzähl uns bitte etwas über die Geschichte zwischen Northern Silence und GELURE.

Lee hat mich quasi dazu überredet, das Portfolio von Northern Silence um Dungeon Synth Releases zu erweitern. Ich bin etwas reserviert, was diese Sparte angeht, doch es gibt auch Projekte, die mir sehr gut gefallen. Gelure war eines davon, weshalb ich dem Künstler angeboten habe, die Alben auf CD zu veröffentlichen, nachdem ich „The Candlelight Tomes“ auf Youtube gehört hatte. Musik- und artworktechnisch gefällt mir Gelure mit am besten von den ganzen neueren Dungeon Synth Projekten. Ansonsten mag ich eher Klassiker wie Mortiis oder Depressive Silence, bzw. neuere Bands, die in die gleiche Richtung gehen, wie Old Sorcery, Thangorodrim oder auch Mirthquell.

AU CLAIR DE LUNE: erinnern mich an eine Mischung aus alten Alcest und der ersten October Tide („Rain Without End“) Scheibe. Was denkst du über den Vergleich und wie kam der Kontakt zustande?

Der Vergleich trifft den Nagel auf den Kopf. Genau das Gleiche dachte ich auch, und da ich die alten Alcest Sachen mag, und das October Tide Debut seit seiner Veröffentlichung sehr schätze, spricht mich auch Au Clair de Lune sehr an. Auch hier habe ich dem Künstler geschrieben, nachdem ich das Debut gehört hatte. Es war wohl ursprünglich geplant, es über ein anderes Label zu veröffentlichen, aber letztlich entschied er sich doch für Northern Silence.

GHOST BATH: mittlerweile über Nuclear Blast vertrieben, aber eine schöne Digi Box über die Northern Silence Jahre bei euch erhältlich. Habt ihr noch Kontakt miteinander?

Wir stehen nach wie vor in Kontakt mit der Band und wünschen ihnen viel Erfolg mit den zukünftigen Releases, die dann weltweit über Nuclear Blast erscheinen. Stilistisch haben sie sich ziemlich vom Moonlover Album entfernt, das für uns das Highlight ihrer Diskografie ist. Von daher fällt der Abschied nicht so schwer, und es kommen ja auch immer herausragende neue Bands zu uns, wie Faidra, Los Males Del Mundo oder Autumn Nostalgie, um nur drei zu nennen.

BELORE: Mittlerweile das 2. Album, das Freunde von SUMMONING schnell in den Bann ziehen wird. Erzähl uns bitte etwas über die Entstehung des 2. Albums und wie eure Zusammenarbeit läuft.

Über die Entstehung kann Aleevok sicher mehr erzählen. Unsere Zusammenarbeit läuft hervorragend. Er ist ein sehr netter Zeitgenosse, ein hervorragender Musiker und Songwriter, und er nimmt uns auch layouttechnisch die Arbeit für seine Releases ab. Besser könnte es also nicht laufen. Wir hoffen, dass wir Belore in Zukunft auch für Liveauftritte nach Deutschland holen können. Es ist in jedem Fall geplant, und Gastmusiker sind wohl auch bereits vorhanden.

CÂN BARDD ist ebenfalls ein Leckerbissen für Summoning Freunde, wartet beispielsweise `Une Couronne de Branches` auch mal locker mit 10 Minuten Spielzeit auf, die viel zu schnell verstreichen. Kannst du dich hier noch an den beginn eurer Zusammenarbeit erinnern und was hat sich seit den Anfängen verändert?

Ich glaube, der Kontakt damals kam über Adje von Black Metal Promotion zustande, von dem ich den Tip bekommen hatte. Malo ist als Musiker und Songwriter sehr schnell gereift, und er weiß ziemlich genau, was er tut bzw. tun muss, um Cân Bardd Stück für Stück bekannter und erfolgreicher zu machen. Für mich hat sich an der Zusammenarbeit nichts geändert, da mir egal ist, wie bekannt oder erfolgreich ein Musiker oder eine Band ist. Viel wichtiger ist der Mensch an sich und die Qualität der Musik. Vielleicht nehmen wir auch deshalb primär Newcomer unter Vertrag, die uns vielversprechend erscheinen, und eher seltener Bands, die bereits etabliert sind.

Mit EMINENZ hatte wohl kaum noch jemand gerechnet. Das letzte Mal hatte ich die „The Blackest Dimension“ in den Händen, wobei ich die „Exorial“ immer noch extrem liebe. Wie kam es zu diesem überraschenden Release und hattet ihr die letzten Jahre über Kontakt?

Die Jungs von Eminenz wohnen praktisch um die Ecke und wir kennen uns seit rund 25 Jahren. Insofern war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die erste Eminenz Veröffentlichung über Northern Silence erscheint. Beim neuen Album hat alles gepasst – Musik, Artwork, Produktion, und natürlich die freundschaftliche Interaktion mit den Bandmitgliedern selbst. Eminenz haben vor allem in Sachsen eine sehr große und treue Anhängerschaft, und durch die Zusammenarbeit mit Northern Silence können sie nun auch international etwas an Bekanntheit zulegen.

Mein erster Kontakt mit FAIDRA war mit dem Song `A Pact among Wolves`, der zwar nicht das gesamte Album wieder spiegelt, aber die Mischung aus Dreck und Atmosphäre sehr gut zur Geltung bringt. Erzähl uns bitte etwas über die Zusammenarbeit.

Der Mann hinter Faidra hatte mir seinerzeit zwei Songs geschickt und gefragt, ob ich Interesse hätte, sein Album zu veröffentlichen. Ich fand sehr vielversprechend, was er bis dahin komponiert hatte, und wir tauschten uns aus, bis das Album fertiggestellt war. Auch er ist ein überaus angenehmer und unkomplizierter Zeitgenosse und es freut mich sehr, dass er mit seiner Musik die ihm gebührende Anerkennung erntet. Wir sind schon sehr gespannt auf das nächste Album, das im Laufe des Jahres fertiggestellt werden soll.

EMYN MUIL haben mit „Afar Angathfark“ einen weiteren Tolkien Klassiker abgeliefert, der sehr nah an Summoning dran ist. Bereits viele Jahre ist das Projekt bei euch zuhause und sowohl die Musik, als auch die Aufmachung lassen das Herz jedes Black Metal Vinyl Sammlers höher schlagen. Hat sich im Laufe der Jahre etwas an eurer Zusammenarbeit verändert?

Da hat sich nichts geändert. Die Zusammenarbeit läuft tadellos. Saverio ist nicht nur ein begnadeter Musiker und Songwriter, sondern auch unglaublich talentiert, was die grafische Gestaltung angeht. Er hat gerade für drei weitere Alben bei uns unterschrieben, und neben Emyn Muil werden wir demnächst auch sein vorheriges Projekt Valtyr in einer limitierten Auflage auf CD veröffentlichen, das zuvor nur in zwei kleinen Auflagen als Eigenrelease erschienen war.

Wahrscheinlich wirst du das oft gefragt, aber ich kann es mir nicht verkneifen: werden CALADAN BROOD jemals wieder etwas veröffentlichen, oder war mit dem großartigen „Echoes of Battle“ bereits alles gesagt?

Das hängt wohl einzig und allein von Jake ab. Wir bekommen noch immer regelmäßig Anfragen von Fans und können nur hoffen, dass er und Sven irgendwann noch mehr Material für Caladan Brood schreiben.

Gleiche Frage, andere Band: wie schaut´s mit GALLOWBRAID aus?

Gleiche Antwort. Ich glaube, es hat für Jake keine Bedeutung, wie erfolgreich er mit seiner Musik sein kann, oder dass er mühelos davon leben könnte. Er macht das, was sich für ihn gut und richtig anfühlt, und scheinbar liegt sein Fokus im Moment auf anderen Dingen. Das respektieren wir, auch wenn wir, wie so viele andere, neue Alben von Gallowbraid und Caladan Brood herbeisehnen.

Ihr habt auch sehr cooles Merchandise bei euch; gibt es eigentlich ein bestimmtes Merchandise, was du persönlich besonders gern bevorzugst? Ich selbst bin großer Longsleeve und Shirt Fan und gelegentlich auch Flaggen; mit Pins und Aufnähern kann ich zum Beispiel gar nichts anfangen.

Ich bin da sehr unkompliziert und trage im Sommer T-Shirts oder Tank Tops und wenn‘s kälter wird Longsleeves oder Sweatshirts. Meine Kutte hatte ich seit über 20 Jahren nicht mehr an, aber ich kann den Reiz schon nachvollziehen, weshalb wir inzwischen auch Patches und Metalpins einiger unserer Bands im Programm haben.

Von mir aus abschließend noch einmal ein großes Dankeschön für deine Zeit und weiterhin alles Gute für NORTHERN SILENCE! Noch einige abschließende Worte an unsere Leser?

Es sind gerade sehr unschöne Dinge in Gange in Deutschland und weltweit. Haltet zusammen und lasst euch nicht spalten. Die Musik eint uns, egal welche Sprache, welche Hautfarbe oder welchen Impfstatus ein Mensch hat. Die gegenwärtigen Ausnahmezustände gehen irgendwann vorbei, doch die Musik bleibt. Vielen Dank für’s Interview und metallische Grüße an eure Leser!

 

Es führte durch das Interview: Sebastian Radu Groß (Chefredakteur – NIC NordMensch in Concerts Online Magazine)

 

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