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ROCKHARZ – Zurück zur Teufelsmauer (06.-09. Juli 2022)

Endlich, ja endlich ist es wieder soweit. Corona hat nach dem brutalen Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine in den Medien nur noch eine Nebenrolle, obwohl schon wieder mächtig vor dem kommenden Herbst gewarnt wird, und das, auf was alle gewartet haben, nämlich die Open Airs, können endlich wieder losgehen. Nach dem Silberjubiläum in 2018 gibt es dieses Jahr, nach 2 Jahren Pause in 2020 und 2021, das 27. ROCKHARZ OPEN AIR. Stolz verkünden die Veranstalter am 30. April 2022 „sold out“. Damit geht das Konzept zum wiederholten Male voll auf, was nicht nur den tollen Bands mit diesmal Größen wie Running Wild, Eisbrecher, Powerwolf als auch der 40-Jahre-Jubiläumsshow von Grave Digger geschuldet ist. Ganz offensichtlich erfreut die Fans auch die genretechnische Vielfalt und die sehr familiäre Atmosphäre des Rockharz Festivals. Bereits in 2017 diente die Startbahn des Flugplatzes als erweiterte Camping-Area. Seit 2019 wurde mit dem gegenüber liegendem Parkplatz für die Tagesgäste zusätzlicher Platz geschaffen. Aus der Vogelperspektive erblickt man das weite Festivalgelände, die geschichtsträchtige Teufelsmauer und den malerischen Ort Quedlinburg.

Beim Rockharz gibt es mit der linken Dark Stage und der rechten Rock Stage zwei gleichwertige Bühnen, die hintereinander bespielt werden, so dass man keine Band verpasst. Ich bin zum sechsten Mal dabei und, bis auf unsäglichen Dauerregen, den das Megafestival im nördlichen Deutschland ja so häufig prägt, habe ich im Harz nun klimatisch alles erlebt, was die Tage im beginnenden Juli so mitbringen können. Im Jahr 2015 löste eine Sturmgefahr eine notwendige Sicherung der beiden Stages mit kräftigen Stahlseilen aus. Trotz kräftigem Wind und kühlen Temperaturen kam es letztlich nicht zu dem befürchteten Orkan. Im Folgejahr herrschten dann eher warme Temperaturen vor, wobei die Abende jedoch durch empfindliche Kälte geprägt waren. Das Festival in 2017 war, mit Ausnahme eines ganz kurzen aber heftigen Regengusses, ich glaube es war am Freitag beim Auftritt von Unzucht, knochentrocken und richtig warm. 2018 gab es eine Hitzeschlacht und auch 2019 war insgesamt sehr warm und trocken. Dieses Jahr war sehr wechselnd mit 22 – 25° Grad, Sonne und Staub am Mittwoch, einem kurzen aber kräftigen Regenguss am Donnerstag und Freitag und Samstag blieb es trocken bei frischem Wind.

Tag 1 –  Mittwoch, der 06.07.2022 

Wie bereits im letzten Jahr praktiziert, fliege ich auch dieses Jahr bereits am Mittwoch ein und übernachte in einem netten Hotel im nahen Nachterstedt. Mit dem Einchecken im Hotel, einer kurzen Verschnaufpause nach der langen Anfahrt aus dem Münsterland und einer sehr kurzen Wartezeit am Pressestand bin ich so gegen 15:30 Uhr auf dem Gelände und nach einem kurzen „Hallo“ mit den üblichen Pressekollegen geht es dann direkt zur Rock Stage. 

Nach zwei Jahren Abstinenz macht den Anfang heute MUTZ (Moritz Hempel), der zum Rockharz, wie kein zweiter gehört. So sieht man den eigentlichen Singer / Songwriter doch immer mal für ein paar Minuten auf den Bühnen des Festivals rumwerkeln oder um einfach mit den Fans aus den ersten Reihen ein paar Gags machen. So macht es Sinn, dass er direkt am Mittwoch loslegt und sich dann weiter auf seinen eigentlich Job konzentrieren kann. Eigentlich spielt er bei den hardgroovenden Drone, ala Machinehead, aus Celle (Rockharz 2018). Er ist aber auch in eigenen Sachen unterwegs. Nachdem die niedersächsische Rockband The Blackeyed Banditz auf den Singer und Songwriter MUTZ traf, war man sich schnell einig, gemeinsame Sache zu machen. Zunächst unterstützte sie ihn nur bei seinen Auftritten, doch dann funktionierte die Zusammenarbeit so gut, dass daraus schon bald das erste gemeinsame Album entstand. Modernes Songwriting mit einer extremen stimmlichen Bandbreite trifft hier auf Retro-Rock mit eingängigen Riffs und flirrender Hammond-Orgel. Die gekonnte Fusion aus britischen und US-Einflüssen ergibt eine dynamische Bandbreite von tiefen eindringlichen bis hin zu härteren Rockphrasen – stets mit dem obersten Ziel, ein mitreißendes Live-Erlebnis zu erzeugen.

Mit vollem Gedröhne geht es auf der Dark Stage weiter. Post Hardcore und Post Metal kommt von den norwegischen SIBIIR mit bislang zwei Alben im Background. Auf Wikipedia schimpft sich die Stilrichtung Blackened Hardcore. Ob es wohl noch viel brutaler bzw. härter zur Sache gehen kann? Definitiv keine Geräusche für meine Ohren.

Mit TWILIGHT FORCE geht es nun zum ersten Mal so richtig melodisch, hymnisch und mit fetten Keyboards zur Sache. Sie gründeten sich 2011 und stammen aus Schweden und zwar aus Falun. Klingelt es bei Falun? Genau, das ist die Location, wo Sabaton ihr eigenes Festival abziehen. Mittlerweise haben die Dragonfans drei Alben auf dem Markt und konnten sich eine beachtliche Fan-Schar erspielen. Ihr frischer Metal sorgt erstmalig für ein proppevolles Infield. Wer den Powermetal von Freedom Call, Sonata Arctica oder Rhapsody mag, der kommt hier voll auf seine Kosten. Konträr zu den bekannten Sagen werden hier keine Drachen von heroischen Rittern bekämpft sondern mit ihnen gegen das Böse gefightet. Reckt die Fäuste, zückt die Schwerter und schwengt die Flaggen für die glorreichen „Knights Of Twilight`s Might“.

Fetten Thrash gibt es nun von EVIL INVADERS aus Belgien. Die alten Raven, Exciter und Annihilator, also der ursprüngliche, speedlastige Thrash der San Francisco Bay Area sind die Wurzeln des Quartetts mit Johannes „Joe“ Van Audenhove aka Jöe Anus am Gesang / Gitarre. Die Belgier pushen den alten Style mit bemerkenswerter Spielfreunde, buntem Outfit und einem knalligen Backdrop richtig auf. Man beobachtet die ersten Crowdsurfer und endlich geht in den ersten Reihen das Gebange los.

Nach der Absage von SUICIDAL TENDENCIES in Ende Mai sind nun die Hardcore-Punker AGNOSTIC FRONT neu im Billing. Seit Gründung in 1982 ist Gitarrist Vinnie Stigma dabei und auch Shouter Roger Miret brüllt, nach überstandener Krebserkrankung, wieder nach Pain und Terror. Die hämmernden Grooves und Aufforderungen von Roger zu Circle Pits bringen weiter mächtig Bewegung aufs Feld und es staubt ordentlich.

Kommen wir nun zum ersten, ich will mal sagen, vorgezogenen Headliner. GRAVE DIGGER aus Gladbeck gibt es bereits seit 1980 und sie spielen heute ihre 40-Jahre-Jubiläums-Show, obwohl ihnen dafür heute nur 40 Minuten, wenn auch nahe der Primetime, zugestanden werden. Sie gelten zusammen mit Accept, Helloween oder Running Wild, um nur einige zu nennen, als Teil der deutschen Metalspitze im True Metal, Heavy Metal oder Power Metal. Am Mikro Chris Boltendahl und am Langhals Flitzefinger Axel Ritt, der wie kein Zweiter den Typus des klassischen Heavy Metal Gitarristen charakterisiert. Haare bis zum Arsch, knallenge Hosen und sich riffend und bangend durch das Set schraubend, welches immer klassisch daher kommt. Am Bass Jens Becker (ex-Running Wild), am Schlagzeug als auch teilweise am Keyboard sehen wir Marcus Kniep  und auch der Reaper ist wieder mit von der Partie. Während des weiteren Sets wird das Drumset vom Clan, der gut und gerne aus bestimmt 20 Dudelsäcken und 3 Trommlern besteht, komplett integriert. Bei greller Sonne und schon ordentlich Staub in der Luft rocken die Gladbecker ab und wer Granaten wie „Excalibur“, „The Clans Will Rise Again“ oder „Heavy Metal Breakdown“ bislang nicht kannte, weiß nun Bescheid. Als Übersong vom Album „Tunes Of War“ darf natürlich „Rebellion (The Clans Are Marching)“ auch nicht fehlen.

Wenn ich BEAST IN BLACK höre, ich habe dafür gute Gründe, sträuben sich bei mir an sich alle Nackenhaare. Einerseits liegt das daran, dass Kasperi Heikinnen für die Band meine geliebten U.D.O. verlassen hat und die zeitweise ohne zweiten Gitarristen da standen. Anderseits kann ich mit dem schmalzigen, poplastigen Power Metal, man stuft sich selbst sogar im klassischen Heavy Metal / Powermetal ein, nur ganz wenig anfangen. Die heutige Show belehrte mich allerdings eines Besseren. Mate, Kasperi und Anton posen auf Teufel komm raus, haben mächtig Spass und liefern eine ganz tolle Metalshow ab. Sänger Yannis Papadopoulos brilliert sich durch die Setlist, wie kein Zweiter, spielt mit dem Publikum, hüpft von hier nach dort und schmettert der gleißenden Sonne mit „Blind and Frozen“, „Beast in Black“ und „Die by the Blade“ einen Metalknaller nach dem anderen vor den Latz. Von Pop und Schmalz keine Spur mehr. Live und Open Air ist halt völlig anders als aus der Konserve oder im engen Saal bzw. auf der kleinen Bühne.

Nach dem rockigen Stoff der Gladbecker und dem fetzigen Powermetal von BIB ist mit den Kanadiern von KATAKLYSM nun eine fette Death Metal Party auf der Rock Stage angesagt. Harte brutale, aber durchdachte Soundarrangements und schnelle Drumparts lassen die Stage erzittern. Und vor der Stage? Bangen, der nächste Circle-Pit und weitere Crowdsurfer, zum Leidwesen der Grabenschlampen allerdings noch ausschließlich männliche und teils sehr schwergewichtige Akrobaten.

Hart und brutal und nun wieder supermelodisch mit teils opernhaftem Gesang. Viel krasser kann man den auf den Bühnen dargebotenen Stil wohl kaum wechseln. Nach dem Ausstieg bei Nightwish machte die ausgebildete Opern- und Ausnahmesängerin TARJA Turunen seit 2005 alleine weiter. Ich bleibe dabei, ohne Tarja hätten Nightwish niemals diesen Erfolg verbuchen können und sie bleibt bis heute, die beste Sängerin der Finnen. Stilistisch bleibt sie im Symphonic Rock / Symphonic Metal. Auch die heutige Show hat deutlich klassische Momente und Tarja brilliert stimmlich und natürlich in ihrem wallenden Outfit. „Demons in You“, „Falling Awake“, „Tears in Rain“ und „Goodbye Stranger“ sind Songs von Tarja. Mit „Nemo“ und „Over the Hills and far away“ schlägt sie die Brücke zu Nightwish aber eigentlich ist zuletzt genanntes ein traditionelles Volkslied aus Großbritannien, dessen Ursprünge gar nicht gesichert sind.

Die rechte Stage bleibt heute den harten Nackenbrechern vorbehalten. Mit dem Groove Metal der brasilianischen SEPULTURA (portugiesisch Grab) und Fronter / Shouter Derrick Green konnte ich infolge des brutalen, thrashlastigen und abgehackten Sounds nie wirklich was anfangen. Unglaubliche 15 Scheiben hat das 1984 gegründete Quartett bereits auf Lager und damit eine Menge Auswahl für zahlreiche Circle Pits und schüttelnde Mähnen im Rund.

Pünktlich nach Mitternacht, passender geht es wohl kaum, geben sich die Mittelalterrocker von IN EXTREMO danach ein Stelldichein auf der linken Dark Stage. Mit einer Spieldauer von 70 Minuten werden ihnen und den vorherigen Sepultura dabei heute die längsten Runs gegönnt. Die Bühne bleibt vielfach in rot, rosa und ab und zu mal in Blautönen und wie gewohnt gibt es bereits zum Start ordentlich Feuer. Und auch bei den anderen Songs, ich führe mal auf, „Troja“, Feuertaufe“, „Vollmond“, „Kompass zur Sonne“, „Unsichtbar“, „Liam“, „Quid pro Quo“, natürlich „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“ und bei „Rasend Herz“, „Spielmann“ und natürlich „Sängerkrieg“ wird nicht an Feuerstößen gespart. Das alles wird vom Publikum textsicher mitgegrölt, Verzeihung, natürlich gesungen und frenetisch beklatscht und bejubelt. Die zahlreich auf der Bühne vertretenen Berliner um „Das Letzte Einhorn“, sprich Sänger und Multiinstrumentalist Michael Robert Rein, machen schon ordentlich Zinnober. Musikalisch wird mich diese Mucke nie gewinnen, allerdings ist die Combo live richtig gut aufgestellt und kann wieder mal voll überzeugen.

Tag 2 – Donnerstag, der 07.07.2022

Ich kenne Dominik Stotzem noch als Basser von der Coverband Purple Rising, ehe er dann bei ENEMY INSIDE einstieg, die 2017 von der deutsch-italienischen Sängerin Nastassja Giulia und dem Gitarristen Evan K (u. a. Mystic Prophecy) gegründet wurde. Dark Rock, Symphonic Metal und New Metal dürften wohl die Richtung des multikulturellen Fünfers am besten umschreiben. Wieder eröffnet die Dark Stage und uns erwartet eine quirlige Combo in futuristischem, weißen Dress mit blauen Kontaktlinsen. Einzig Rhythmusgeber Dominik am Bass verlässt sich auf sein natürliches Augenlicht und bangt ordentlich bei seinen Parts. Er gibt ganz klar den Chef und dirigiert seine noch junge Truppe ordentlich durch die Setlist.

Deutschen Pagan gibt es von GERNOTSHAGEN, die seit 1999 exakt vier Alben ihr Eigen nennen. „Ode Naturae“ ist von 2020 der aktuelle Longplayer. Als Backdrop ein Hirsch ala Jägermeister und Shouter Daniel „Askan“ Möller erinnert mich in seiner Kriegsbemalung doch ordentlich an Philipp „Freki“ Seiler von Varg. Bevor wir als Knipser jedoch die archaischen Protagonisten ablichten können, müssen wir uns erstmal hinter den Boxen in Sicherheit bringen. Es regnet, nein es gießt, nein es schüttet und zwar wie aus Kübeln und zwar direkt zum ersten Song. Wir haben keine Chance und rasen direkt zum VIP zurück, um uns irgendwie und vor allen Dingen die Kameras vor dem Unwetter zu schützen. Bereits zum dritten Song hat der Wettergott jedoch ein Einsehen und lässt es nur noch tröpfeln. Der Tag bleibt witterungstechnisch unsicher, auch wenn es nur noch maximal zu kurzen Feuchtzonen kommt.

Im Melodic Death / Pagan Metal sind ASENBLUT aus Göttingen mit Tim „Tetzel“ Schmidt unterwegs, die schon einige Male auf dem Festival dabei waren und für schwingende Mähnen, hoch gerissene Hörner voll mit Met oder Bier und fettes Gestampfe auf dem Flugplatz sorgen. Die vierte Ausgabe, wahlweise auf CD oder Vinyl von AFM nennt sich „Die Wilde Jagd“ und ist voll mit jeder Menge Wikingerklischees, mit der man das Infield eines jeden Festivals zum Beben bringt.

Mit HAMMER KING, gegründet in 2015, ist heuer eine ganze junge Band am Start. Allerdings ist in dieser Combo eine Menge Erfahrung vereint. Ich zitiere hier mal ihr Label Napalm Records: „Der Einfluss der Heavy Metal-Feudalisten HAMMER KING auf die Geschichte des Metal hat gerade erst begonnen. Handverlesen von Ihrer Majestät selbst besteht die Band aus dem ehemaligen ROSS THE BOSS-Sänger Titan Fox und dem ex-SALTATIO MORTIS-Drummer Dolph A. Macallan sowie Gladius Thundersword am Bass und Klevelands zeitlosestem Lead-Gitarristen: Gino Wilde. Hier bekommt man traditionellen Power Metal in seiner pursten Form! Und das fetzt, macht richtig Laune und sorgt allweil für Partystimmung.

Mit melodischem Death Metal wird es bei den schwedischen SCAR SYMMETRY wieder rasend schnell. Sie veröffentlichen bislang sechs Longplayer und sind beim Label Nuclear Blast unter Vertrag. Roberth Karlsson ist für die harschen Vocals / Growls und Lars Palmqvist für den cleanen Gesang verantwortlich.

Unzucht sollten eigentlich auf der Rock Stage spielen. Eigentlich. Die Gerüchteküche wabbert schon einige Stunden vorher und nach und nach wird klar, dass der Schlagzeuger dem Virus erlegen ist und definitiv das Set von Unzucht heute ausfällt. Es soll der einzige Corona bedingte Ausfall des gesamten Festivals sein. Daniel ruft seine alten Kollegen an und bereitet kurzerhand ein akustisches Set mit Der Schulz & Band vor. Die drei machen es sich auf der Bühne sitzend gemütlich und mit Akustikgitarre und Sitztrommel gibt es Rock, Western, Country und Nachdenkliches.

Eigentlich dunkel und düster und entsprechend plakativ im Face, heuer aber noch im Sonnenlicht, präsentieren DARK FUNERAL ihren Black Metal auf der Stage. Ich fotografiere die Schweden heute zum allersten Mal. Neben Marduk zählen sie zu Schwedens wichtigster und einflussreichster Black-Metal-Band. Musikalisches Hauptmerkmal ist das durchgängig sehr hohe Tempo der Lieder. Dark Funeral verzichtet auf Keyboards. Die Musik wird oft als monoton bezeichnet; Gitarrist und Gründungsmitglied Lord Ahriman hält dagegen, dass „der Teufel bei uns im Detail“ stecke und er die „extreme Aggression äußerst melodisch“ verpacke, wodurch sich beide Elemente verstärkten. Mit dem 2022-Output „We are the Apocalypse“ dürfte alles gesagt sein.

Mit typischem Deutschrock aus Bitterfeld in Sachsen geht es nun weiter. GOITZSCHE FRONT nennt sich der Vierer, der seit 2009 auf den Brettern steht und schon vier Alben sein eigen nennt. „Deines Glückes Schmied“ ist vom Februar diesen Jahres und der korpulente Shouter Pascal „Bocki“ Bock mit Glatze und voll tätowierten Armen haut die bekannten Phrasen in das Mikro. Deutschrock halt, wie er von hundert anderen Bands auch gezockt wird. Aus dieser Menge heraus zu ragen ist schwer. Die sächsische Front schafft es allerdings das Infield zu begeistern und in eine abrockende Menge zu verwandeln. Man ist halt wohnungstechnisch nicht ganz so weit vom Harz entfernt und dieser gab sich von immer schon sehr patriotisch, will sagen Deutsche Bands und insbesondere aus dem ehemaligen Osten hatten hier schon immer ein ganz leichtes Spiel.

Die schwedischen THUNDERMOTHER sind aktuell auf Heat – Wave – Tour und eigentlich spielen sie immer und überall und das auch während der Corona-Zeiten, wenn auch hier mal vom Dach eines Feuerwehrwagens aus, um den Fans zwar die volle Rockdröhnung zu bieten aber damals eben jeglichen Kontakt zu meiden. Kopf und einziges Gründungsmitglied ist Filippa Nässil an der Gitarre. Nach zig Wechseln, die in der ersten Scheibe treffend mit „Rock ‚N‘ Roll Disaster“ umschrieben werden, fand man mit „Thundermother“ von 2018 zusammen. Am Gesang die hübsche Guernica Mancini, an den Drums die quicklebendige und stets lächelnde Emlee Johansson und mit Mona Lindgren am Bass dazu eine attraktive Rampensau. Riffrock ala AC/DC ist das Gebot der Stunde und das fetzt.

Super melodischer Riffer, gespickt mit dicken Growls und ein megasympathisch daher kommender Sänger namens Mikael Stanne. Das sind DARK TRANQULITIY aus Schweden, die neben In Flames, At The Gates und Soilwork zu den prägenden Bands der sogenannten Göteborger Schule des Melodic Death Metal gehören und heute mit durchweg tollen Songs wie „Transient“, „ Focus Shift“, „Monochromatic Stains“ oder „Forward Momentum“ voll überzeugen können. Ich sah die Schweden schon als Support von Amon Amarth und bin aufgrund ihrer Bühnenpräsenz und der durchweg starken Songs mehr als begeistert.

Es ist Zeit für den ersten wirklichen Headliner des Festival, die im späten Herbst des Jahres ihre Wolfsnächte-Tour starten. Nach dem Rockharz geht es nach Rumänien und über Wacken ist man noch Support bei den Eisernen Jungfrauen. Nebenbei hat noch „The Monumental Mass“ cineastisch etabliert. Viel los also im Stalle von Attila & Co. und erwartungsgemäß sollte es bei den zum fünften Mal auf dem Rockharz gastierenden POWERWOLF um den charismatischen Sänger Attila Dorn jede Menge Pyros geben. Sollte, einzig der Wind verwehte diesen Ansatz. Es war schlicht zu gefährlich für die Members heute riesenhohe Pyros abzufackeln. So blieb es bei sporadischen Flammen, einer kleinen Feuershow vom kurzhaarigen Attila zu Beginn des Sets oder bei Flammenmeeren im Zuge der Messe, wo zeitweise temporär gleich mehrere Nonnen auf der Bühne erschienen. Die Bühnenaufbauten natürlich monumental, erinnernd an Gruften, Schlösser und im Background der typische Wolf. Die Setlist, ach eigentlich ist es völlig egal, was die Jungs da auf die Bühne bringen: „Fire and Forgive“, „Army of the Night“, „Incense & Iron“, „Amen & Attack“, „Demons Are a Girl’s Best Friend“, „Armata Strigoi“, „Stossgebet“, „Blood for Blood (Faoladh)“, „Werewolves of Armenia“, „Sanctified With Dynamite“, „We Drink Your Blood“.

Zum X-ten Male sehe ich heute SUBWAY II SALLY. Nicht, dass ich diese Mittelaltermucke besonders mag, aber als Fotograf stellt dieser Gig auch den nächsten Versuch dar, Eric Fish und seine Kollegen mal fotografisch vernünftig festzuhalten, was mir bei dem vielen Rot, Rosa und insbesondere den störenden Aufbauten nur selten gelingt. Analog, wie beim Powerwolf, lässt man das mit dem Feuer gleich ganz sein. Seit einigen Jahren ist Ally Storch an der Violine. Ihr Instrument und ihre wallenden Haare (unter den Fotografen gab es unter den Glatzköppen dann eine Diskussion über Haarspülungen) sind einfach der Hingucker.

Mit Saufen, Bier, Wein und Met oder Kneipenschlägereien gehören die Folkrocker von KNASTERBART zu einer typischen Besetzung des Rockharz Festival, dass sich schon immer durch sehr vielfältige Genres auszeichnete und bei dem der Spaß nie zu kurz kommen darf.

Tag 3 – Freitag, der 08.07.2022

Wir beginnen heute den dritten Festivaltag um 11:20 Uhr auf der Rock Stage und mit und mit BURDEN OF GRIEF aus Deutschland ist nun Melodic Death Metal angesagt. Genau das richtige, um die geschundenen Knochen zu schmieren und wieder in Bewegung zu bringen. Die Kasseler sind in ihren Riffs deutlich melodischer als ihre schwedischen Kumpanen und können daher auch bei mir, der ja eher im Hardrock, klassischen Metal und im Powermetal unterwegs ist, etwas mehr Gehör finden.

KAMBRIUM aus Niedersachen widmen sich dem Epic Melodic Death Metal und haben folglich auch ein Keyboard mit an Bord. Frischer, lockerer und motivierter als Kambrium kann man sein Set nicht aufziehen und die melodischen, schnellen Riffs mit dunklen Avancen ziehen mich ruckzuck in ihren Bann. Sollte ich bis dato noch überlegt haben, heute etwas später zu kommen, dann hätte ich mir spätestens jetzt kräftigst in den Arsch gebissen. KAMBRIUM „You made by early day“ – thank you.

Die deutschen ATTIC sind im klassischen Heavy Metal unterwegs und waren mir bis dato gänzlich unbekannt. Man kommt aus dem Pott, Gelsenkirchen um genau zu sein, gründete sich 2010 und hat bislang zwei Longplayer am Start. Und was soll ich sagen, Attic fetzen mich völlig weg und warum, nun ganz simpel, wir haben eine perfekte Kopie oder auch Anlehnung an den legendären King Diamond, nur halt entstaubt, bunter, flotter, einfach besser. Das ist z. B. wie bei Airbourne und AC/DC. Man hat sich sogar die Aufbauten der legendären Sets mit zwei Zaunreihen / Gittern links und rechts gegönnt und auch Nebelschwaden, hier allerdings aus aufgerichteten Steamern, ziehen über die Bühne. Grandios.

Mit PADDY AND THE RATS wird bereits um die Mittagszeit die Juxtüte ausgepackt. Sie gastieren im spaßigen Folk Rock, diesmal losgelöst von Kneipen, Met und Bier, sondern hier eher im Piratengenre und passenden Alben wie „Rats on Board“, „Hymns for Bastards“, „Tales from the Docks“ oder dem aktuellen „From Wasteland To Wonderland“.

Mit viel Pathos stolzieren die Mitglieder der Berliner NDH-Institution OST + FRONT, namentlich und in dieser oder einer ähnlichen Reihenfolge Fritz Knacker (Schlagzeug), Eva Edelweiß (Tasten, Trommeln), Wilhelm Rotlauf (Bass), Otto Schmalzmann (Gitarre), Siegfreid Helm (Gitarre) zu guter Letzt Hermann Ostfront auf die Bühne und eröffnen mit „Geld Geld Geld“, welches die Welt regiert und danach folgt das etwas chaotisch angelegte „Fieste De Sexo“ inklusive Po-Klatscher auf den Hintern von Eva. „Afrika“, „Honka Honka“, „Liebeslied“, „Puppenjunge“, „Ikarus“, „Fleisch“, „Sex, Schnaps Und Gewalt“ aber auch „Denkelied“ und „Freundschaft“ sind weitere Songs der Truppe, die zwar plakativ und chaotisch agiert aber deren Lieder immer auch zum Nachdenken anregen.

LUCIFER ist eine Heavy / Doom-Metal Band, die sich 2014 in Berlin und London gründet und mittlerweile in Stockholm ansässig ist. Sie betitelten ihre Alben ziemlich simpel mit Lucifer I, II, III und IV. An den Vocals und manchmal am Keyboard Johanna Sadonis, an Drums, Guitar und Bass Nicke Andersson von The Hellacopters, Entombed oder den von mir so geliebten Imperial State Electric, Martin Nordin kennt man als Saitenhexer von Dead Lord und dazu kommen noch Linus Björklund, ebenfalls an der Gitarre und Harald Göthblad am Bass. Die Einflüsse der Band gehen auf Black Sabbath, Deep Purple, Blue Öyster Cult, Lucifer’s Friend, Steppenwolf, 70’s Heart und Fleetwood Mac zurück, also all das, was man als alter Kuttenträger schon ewig konsumierte. Avatarium und Blues Pills sind die Stichworte und genauso wie Jennie-Ann-Smith klingt auch Johanna, die perfekt deutsch spricht, ihre Jungs galant vorstellt und für mich eine Ballade mit dem Spruch des Tages, nämlich „ein Song zum Kuscheln auf dem Friedhof“ ankündigt. Für mich, neben Attic, die Entdeckung des Festivals und wie sie mit ihrem Ständer und dem dazugehörigen Kabel agiert, einfach göttlich.

Die finnischen MOONSORROW gibt es bereits seit 1995 und seitdem veröffentlichten sie sieben Alben, von denen das letzte „Jumalten Aika“ bereits von 2016 ist. Ich liebe den atmosphärisch dichten Sound des sehr gitarrenlastigen Pagan bereits seit ihrem Erstlingswerk „Suden Uni“ von 2001, der mit diesem charakteristischen Wolfsgeheul losgeht. Sie machen sich rar auf den europäischen Bühnen und um so schöner ist es, sie auf dem Rockharz erleben zu dürfen. Die Finnen glänzen, rocken mächtig ab und haben mit Sicherheit eine ganze Menge neuer Fans dazu gewonnen.

Auf dem Weg zurück zur Dark Stage in Richtung Foto-VIP, fällt mir ein kleiner Junge mit einer Randy Rhoads Gitarre auf, der stilecht seine Ikonen imitiert und kurzfristig zum Highlight der noch wenigen Fotografen wird. Sicher ein Sohnemann der nachfolgenden Metaller von DESERTED FEAR. Die werden hier richtig abgefeiert, sind mir mit einem Segelschiff als Backdrop sofort sympathisch und richtig nett kommt auch die Ansprache rüber. Lange haben die Jungs in ihren stillen Kämmerleins und in einem Proberaum verbracht, der in etwa der Größe eines Dixieklos gleichkommt und sich riesig auf den heutigen Auftritt gefreut. Sowas kommt an und da verkommen spritzige Stahlhämmer, ultraschneller Metal, tolle Riffs und eine feine, energiegeladene Bühnenshow fast zur Nebensache.

JINJER stammen aus dem Donezk in der Ukraine, was den meisten, vor dem bestialischen Angriff der Russen, wohl kaum einem Begriff war, heutzutage aber als einer der Hauptkampforte des Terrors allseits bekannt ist. Im Metal Core und Groove sind Tatiana Shmailyuk und ihre Mitstreiter unterwegs und es ist mehr als aller Ehren wert, sie heute auf der Stage zu erleben. Die junge Frau agiert im schwarzen Kampfanzug vor einem großen, in ukrainischen Nationalfarben gehaltenen Backdrop. Mindestens fünf Kicks absolviert sie schon bei den ersten 3 Songs, schüttelt ihre zu 3 Zöpfen gestaltete Mähne und lässt hier und da ihre Piercings auf der Zunge aufblitzen. Von allen Mädels des diesjährigen Rockharz agiert sie am besten, am professionellsten, nutzt das Mikro zum Shouten, Growlen, Singen und nicht zum Festhalten und ist dabei superagil. Bereits beim zweiten Song gibt sie ihr Statement zum Verbrechen in der Ukraine ab und erntet hier die notwendige Zustimmung.

FINNTROLL, die finnischen Trolle mit den langen Ohren aus Helsinki erhöhen mit ihrem Folk Metal nochmal mächtig die Stimmung im Infield, der ohnehin nach JINJER schon top gelaunt daher kommt. Der Mix aus Humppa, fetten, keyboardlastigen Melodien und schwarzmetallischen Riffbrettern sorgt allseits für gute Laune, ein beherztes Abbängen, ein vielfaches Mitgegröle und neben den Crowdsurfern auch für den einen oder anderen Circle Pit. Es gibt Tracks wie „Att Döda Med En Sten“, „Ormfolk“, natürlich „Nattfödd“, „Jaktens tid“ oder „Midvinterdraken“.

Die schwedischen AT THE GATES sorgen mit ihrem harten, brutalen Melodic Death Metal Garant mit deutlich erkennbaren Core-Einflüssen für heftige Circle- und Moshpits. Auf dem aktuellen Werk namens „The Nightmare of Being“ seit ihrer Rückkehr in 2014 vertonen sie mit experimentellen Mitteln philosophische Gedanken des Pessimismus. Wer nun befürchtet, At The Gates hätten sich vom Death Metal gelöst, sei beruhigt: Das Gros des Albums wütet wunderbar brachialmelodisch, die Schweden akzentuieren ihren Klang lediglich mit einigen Details. Violine, Cello und Orchestrales gehen als bekannt durch, Saxofon und progressive Anklänge überraschen hingegen. Beim Rockharz gibt es die pure Brachialfront, von Violinen, Celli oder ähnlichem Gedöns höre ich nix .

Nun endlich ist die Zeit gekommen für finnischen Folk und Viking Metal von ENSIFERUM. Wie Eisbrecher am morgigen Samstag sind sie hier Dauergäste und waren ebenfalls 2018 zuletzt dabei. Petri Lindroos (Gesang, Gitarre), Markus Toivonen (Gitarre), Janne Parviainen (Schlagzeug) und insbesondere Sami Hinkka (Bass) schimpfen sich die Mannen, natürlich facepaitend und mit Rauschbart beim Basser. Von Netta am Skog (Turisas), die ab und zu bei den Finnen vorbei schaut, ist heute übrigens nix zu sehen. Mit „Rum, Women, Victory“ geht es los, es folgen „Token of Time”, “One More Magic Potion”, “Run From the Crushing Tide!, “In My Sword I Trust”, “Midsummer Magic”, “From Afar” mit Moshpits, die Mitsingnummer “Lai Lai Hei” und das unvermeidliche „Iron“.

Die amerikanischen Glamrockrock von STEEL PANTHER sind aktuell auf Res-Erections European Tour 2022, und beehren uns heute mit einer Stippvisite auf dem Harzfestival. Van Halen, Kiss, Bon Jovi, Def Leppard, Guns N‘ Roses und insbesondere Mötley Crüe sind die Vorbilder von Michael Starr, Satchel und Stixx Zadinia und deren Shows und Allüren werden von den Comedians, ich nenne sie mal so ganz despektierlich, ordentlich auf die Schippe genommen. Daneben geht es vor allen Dingen um „dicke Titten“, die Michael bereits beim zweiten Song ausführlich erläutert und die zum Schluss des Sets, wenn eben alle Damen auf die Bühne kommen, nochmal ihren Höhepunkt haben. Ein bisschen gerockt, wie bei „Going in the backdoor“, Asian Hooker“, 17 Girls in a row“ oder „Crazy Train“ von Ozzy Osbourne, wird auch, allerdings verschwinden nach und nach zig Songs von der Setlist, die sich damit um mindestens ein Drittel reduziert. Laut interner Liste fallen weg: Fat Girl, Let me cumin, Guitar Solo, Party all ray, Party like…

Weiter geht es mit dunklem Gothic Rock von ASP. Bekannt wurde sie vor allem durch den Zyklus um den Schwarzen Schmetterling, um den sich die ersten fünf Albenveröffentlichungen von 2000 bis 2007 drehten und der laut Sänger Alexander Spreng als musikalische Gothic Novel gesehen werden soll. Für mich ist diese Musik nicht wirklich was, wenn auch ASP für alle Darkrocker und Mittelalterfreaks als wahre Legenden dargestellt werden. So wird da erstaunlich textsicher mitgegrölt, zu den schwarzen Texten abgebanged und hier und da kommen an den Absperrungen auch einige Crowdsurfer an.

Herzlich willkommen dem zweiten, fetten Headliner mit der bis dato längsten Spielzeit von 22:50 bis 00:20 Uhr. Mit RUNNING WILD und “Branded and Exiled” aus 1985 ging bei mir die eigentliche, metallische Phase los, nach vorherigem Konsum der gängigen Hardrock-Combos Status Quo, Deep Purple, Whitesnake oder Rainbow, um nur einige zu nennen. Erst dann tastete ich mich an die härteren Gangarten von Slayer, Metallica und Konsorten heran. Unvergessen das großartige „Under Jolly Roger“ von 1987 mit den Kanonen im Intro und kurz danach „Port Royal“. Alles was danach kam, war klasse aber kam nicht mehr an die ersten Klassiker wirklich heran. Wie man Rock ’n‘ Rolf (Rolf Kasparek) und seine Entercrew vermisste, zeigte sich am besten mit „Rapid Foray“ aus 2016, das mit Platz 2 der Deutschen Charts den bislang größten Erfolg verbuchte. Ein einziges Mal konnte ich ihn von Ferne auf dem Matschfestival in Schleswig-Holstein ablichten, um so mehr freue ich mich auf den heutigen und mehr als verdienten Headliner. Running Wild liefern klasse ab, auch wenn ihr Bewegungsdrang doch einiges zu wünschen übrig lässt und im Fotografenbereich ihr despektierlich der Zweitname „Standing Still“ vergeben wird. Aber was der richtige Pirat hören will, kriegt er auch zu hören. Ob die Alben „Gates to Purgatory“, „Branded and Exild“ oder „Jolly Roger“, die alten Sachen sind alle dabei und die Herren stilecht mit Bandana und Kappe vor großen Bühenaufbauten, auch wenn das Licht ziemlich zu wünschen übrig lässt. Von hinten sieht man einer riesengroße Piratenflagge im Publikum. Hier die Setlist „Rock and Roll All Nite“, „Chamber of Lies“, „Fistful of Dynamite”, “Purgatory“, „Rapid Foray“, „Blood on Blood”, “Riding the Storm”, “Branded and Exiled“, „Drum Solo“, „The Shellback“, „Bad to the Bone“, „Crossing the Blades“.

Mit den 5 Herren von THE 69 EYES geht der heutige um 01:30 Uhr ziemlich spät oder auch sehr früh zu Ende. Das Quintett liefert uns finnischen Dark Rock mit ordentlichen Glam- und Sleaze – Einflüssen. Sie sind seit 1989 unterwegs und platzierten jedes ihrer 12 Alben zumindest in die Top-20, meist sogar in die Top-10 der finnischen Charts. 3 Alben erlangten sogar die Topposition, während sie in Deutschland mit Platzierungen um 50 eher unter „ferner liefen“ einzukategorisieren sind. Entsprechend mager ist hier auch ihre Bühnenpräsenz und, um so toller sie heute im Harz willkommen zu heißen.

Tag 4 – Samstag, der 09.07.2022

STORM SEEKER kommen aus Deutschland und rein namentlich würden sie auch gut in das übliche Metalgenre passen. Doch Pustekuchen, der Fünfer aus Neuss hat sich ganz dem Folk Metal, besser dem Pirate Folk Metal zugetan und so gibt anstelle von harschen Gitarren mit Fabienne eine Dame an der Drehleier / Blockflöte und ein Akkordeon von Tim. So etwas funktioniert auf dem Rockharz prima und sie werden ordentlich abgefeiert. Hier und da sieht man einige tänzerische Einlagen, die man eher aus irischen Pubs kennt.

Die fünf Mannen von THOMSEN aus Isernhagen liefern uns klassischen Metal / Hardrock. Ich dachte beim ersten Hören sofort an Rainbow, Dio, geparrt mit klassischem Metal. Ich zitiere hier mal: René Thomsen, Inhaber von Backline Rental Service, ist bereits seit den 1980-er Jahren fest mit der Musikszene verwachsen. Er startete einst als Roadie, arbeitete dann als Gitarrentechniker für diverse international bekannte Gitarristen, stieg zum technischen Tourleiter auf und ist nun ein erfolgreicher und geschätzter Unternehmer, der sich mit seinem Vollservice als ein zuverlässiger Partner für Veranstalter, Künstler und Produktionsfirmen etabliert hat. Abseits von seinem Kerngeschäft findet der sympathische Wahl-Isernhagener Zeit, seiner Leidenschaft, dem Gitarrenspiel, nachzugehen. Wenn René Thomsen allerdings etwas angeht, dann macht er dies mit vollem Einsatz und so komponierte er bereits während der Weihnachtstage 2007 seine ersten Songs und entwickelte sie weiter, bis er unter Beteiligung des Ausnahmesängers Jürgen Wulfes, sowie internationaler, ihm freundschaftlich zugetaner Musiker (u.a. Herman Frank, Nibbs Carter, Neil Murray, Bobby Jarzombek), im Jahr 2009 sein erstes Album „Let’s Get Ruthless“ unter dem Bandnamen THOMSEN veröffentlichte. Die 12 Metalsongs voller Energie überzeugten Kritiker und Fans gleichermaßen. Nicht verwunderlich, dass einige Liveauftritte Thomsens Ausflug in die Welt der Musizierenden abrundeten. Mittlerweile hat man das dritte Album auf dem Markt.

OBSCURITY kommen aus Deutschland, genauer aus Velbert im Bergischen Land, und sind dem Viking Metal, mit allerdings einem deutlichen Einschlag in Richtung Melodic Death Metal / Black Metal, angegliedert. Dabei gibt man sich sehr regionalverbunden „Bergisch Land“, „Tenkterra“, martialisch „Schlachten und Legenden“. Die ausschließlich deutschsprachigen Texte der neueren Alben ab 2006 behandeln vor allem historische Themen, insbesondere Motive aus Geschichte und Mythologie der Germanen und Wikinger. Sie beziehen sich meist auf die Geschichte des Bergischen Landes und dabei vor allem auf die Zeit des Herzogtums Berg. Diese sind wesentlich geprägt von historischen Büchern und Filmen. Ein weiteres großes Thema sind Schlachten und Kämpfe.

Mit deutschem Alternative Rock von APRIL ART und in quietscherotem Sportdress geht es dann weiter. Ist das hier ein Metalkonzert oder eine Sport- und Aerobicshow. Wow, was für ein toller Auftritt und richtig professionell. Mit exzellenter und abwechslungsreicher Gitarrenarbeit prägt Chris Bunnell entscheidend den modernen und emotionalen Sound der Band. Frontfrau Lisa-Marie Watz, die mit ihrer charismatisch rauen Stimme bis zur völligen Erschöpfung performt, schafft durch permanente Kommunikation Nähe zum Publikum und bezieht dieses stets in das Geschehen mit ein. Am Schlagzeug sorgt Ben Juelg für einen knalligen und aggressiven Drumsound, der sich durch musikalische Grooves und knackige Fills auszeichnet.

AD INFINITUM aus Montreux veröffentlichten in 2021 Chapter II „Legacy“ und brillieren mit der attraktiven Mellissa Bonny im Symphonic Metal, die zunächst solo unterwegs war, ehe sie ein schlagkräftige Truppe um sich scharrte. Ihre Debütsingle „ I am the Storm“ nahm sie damals noch mit Musikern von Delain auf. Irgendwie erinnern mich diese Bands allesamt an die bekannten Epica, Syrenia, Xandria und Co. Klar haben wir hier eine hübsche Dame mit raffiniertem Outfit und nettem, ziemlich dünnem Stimmchen. Als Fotograf bekommt man allerdings sofort mit, wie schwer sich die Grazien von ihrem Mikro lösen können und sich an selbigem faktisch festhalten. Bewegen können die sich alle aber sind das hier Rock- oder Modeshows ?

Die Magyaren von EKTOMORF sind seit 1994 im Groove Metal mit Thrash- und Core-Einflüssen, ála Soulfly, unterwegs. Natürlich wird in den ersten Reihen gebanged, was das Zeug hält und es sind hier und da auch einige Circle-Pits zu sehen. Musikalisch war das für mich allerdings ein Horrortrip. Über musikalischen Geschmack lässt sich halt streiten.

Mit TANKARD und deutschem Thrash oder besser, infolge des Biergenusses Alcoholic Metal steht hier, mit Gründungsjahr 1982, eine der dienstältesten Bands auf der Bühne. Das Erslingswerk „Zombie Attack“ wurde, wie die ersten Scheiben von Helloween, Running Wild & Co., noch bei den legendären Noise Records veröffentlicht. Köpfe der Band sind der Shouter Andreas Geremia, Gitarrist Andreas Gutjahr und Basser Frank Thorwarth sowie Olaf Zissel an der Schießbude. Spaß, Klamauk, Bier aber auch echte gute Riffs von Andi sorgen für Begeisterung. Und auch „Gerre“ ist nach überstandener Operation wieder recht lauffreudig und wackelt von links nach rechts. Neben Knorkator, die beim Autogrammstand auch nackige Bäuche signieren durften, dürften die Frankfurter mit der längsten Reihe an Autogrammfreudigen des gesamten Festivals glänzen. Natürlich Surfer im Minutentakt und eine mal wieder personell etwas unterbesetzte aber immer gut gelaunte Crew der Grabenschlampen.

Mit den schwedischen UNLEASHED und 14 Longplayern seit 1989 geht es nun mit brachialem, hartem Death Metal weiter. Nicht meine Welt, weil mal wieder viel zu brutal, zu hart. Egal, die ersten Reihen gehen komplett ab und man sieht allseits kreisende Mähnen.

Mit den Finnen von INSOMNIUM kann der Melodic Death Metal so vielfältig sein und Niilo Sevänen (Bass, Gesang), Markus Vanhala (Gitarre), Ville Friman (Gitarre) liefern uns die melodische, feine, ja den Hörer melancholisch stimmende Art, die ringsum begeistert und Jubelstürme auslöst.

Punkrock von BETONTOD geht immer. Mit sieben Studioalben und ihrem 1000. Gig in 2017, sie gastierten bereits 2012 in Ballenstedt, besitzen die 5 Rheinberger genügend Stoff und Liveerfahrungen, um auch heute den Acker ordentlich zu bepflügen. Mit „Traum Von Freiheit“ in 2015 haben die Rheinberger ihre punkigen Wurzeln schon lange hinter sich gelassen und sind heutzutage eher dem Deutschrock mit metallischen Einflüssen, allerdings einem Gespür für wirklich mitnehmende Melodien zuzuordnen. BETONTOD werden abgefeiert und mit eigens mitgebrachten Fahnen tut man zusätzliches, um die Atmosphäre zusätzlich anzuheizen. Crowdsurfer im Minutentakt und mit einer surfende Crowderin auf dem Bauch ihres Freundes mit bunter Fahne ein Highlight aus dem Publikum. Meine vollste Anerkennung für diese Sportliche und ausbalancierte Leistung. Sowas sieht man nicht alle Tage.

EXODUS wurden 1981 in Richmond gegründet und entstammen der legendären Bay Area in Kalifornien. Sie zählen zu den Urvätern, ja Begründern des Thrash Metal und haben Bands wie Death Angel oder Testament maßgeblich beeinflusst. Die heute bekanntesten Mitglieder sind Gary Holt an der Gitarre und der verstorbene Sänger Paul Baloff. Einige wissen es viellicht nicht oder haben es verdrängt, denn gegründet wurden Exodus vom Schlagzeuger Tom Hunting und dem heutigen Metallica-Gitarristen Kirk Hammet, der allerdings schon 1983 wieder ausstieg. Mit „Bonded By Blood“ von 1985 und „Pleasures Of The Flesh“ von 1987 schufen Exodus wahre Meilensteine des Genre. Der letzte Output nennt sich „Persona non Grata“ und datiert von 2021. „We are Exodus from the Bay Area. Are you ready for violence?“ fragt Shouter Steve Souza und nachdem selbige Frage eindeutig mit „Yeah“ beantwortet wird gibt es schnörkellosen, derben Metal mit Arschtrittgarantie vom allerfeinsten und Steve ist dazu richtig gut bei Stimme bei Tracks wie „A Lesson in Violence“, „Blood In, Blood Out“ oder „The Years of Death and Dying”.

Die amerikanischen Thrasher von TESTAMENT gründeten sich 1983, sind damit 1 Jahr jünger als Tankard, und gelten zusammen mit Exodus als typischster Vertreter der San Francisco Bay Area. Shouter Chuck Billy, der Gitarrist Alex Skolnick, Steve DiGiorgio am Bass (Death, Sadus, Iced Earth) und insbesondere Drummer Dave Lombardo (Slayer) sind allesamt zu Legenden aufgestiegen. Und wie Könige des Thrash präsentieren sie sich auch heute auf dem Rockharz, in dem jeder seine Soli bekommt und hierfür extra Podeste errichtet wurden, damit die Kings über ihren Fans stehen können.

Musikalisch werde ich mit KNORKATOR, namentlich Stumpen im heute mal goldenen Kostüm mit Hut, der bereits beim ersten Song in die Meute geworfen wurde, Buzz Dee an der Gitarre und Alf Ator am Keyboard wohl nie so ganz warm werden. Es mag auch sein, dass mir für ihre Songs einfach die Reife fehlt oder ich einfach ihrem Gerade, Gequatsche über Dinge, die Welt nicht wirklich bewegt, einfach nicht folgen kann. Wie üblich, durften wir Fotografen beim zweiten Songs mit auf die Bühne und mal die Massen von oben sehen. Das wars dann aber auch schon. Am Ende der Setlist vernehme ich eine liebliche, ja wirklich tolle Stimme von Stumpens Tochter, die ich fotografisch leider nicht festhalten konnte, so ich ordentlich und sittsam nach dem dritten Songs den Graben verlasse, im Gegensatz zu meinen Kollegen. Bei Knorkator wird abgefeiert bis sich die Balken biegen und vor lauter Crowdsurfern, die bereits mit dem ersten Song, nämlich „Buchstabe“ ankommen wird auch das Fotografieren der einzelnen Protagonisten zusehends schwíeriger. Es folgen „Du nich“, „Eigentum“, „Ich hasse Musik“, „Revolution“ und so Songs wie „Zähneputzen, Pullern und ab ins Bett“, eben, nicht meine Welt.

Neben Powerwolf dürften die deutschen EISBRECHER um Sänger / Fronter Alexander Wesselsky die Band sein, die ich in den letzten Jahren vor der Pandemie mit am häufigsten gesehen habe. Ich würde sie heute, neben Accept, zumindest als eine Art Headliner einstufen. Auch bei „Liebe macht Monster“ aus 2022 ist man weiterhin mit der Neuen Deutschen Härte in melodischer Form unterwegs. Gute, dynamische, mächtig groovende Songs mit tollem Workout an den Gitarren von Noel Pix und Jürgen Plangger und eine treibende Rhythmussektion mit Rupert Keplinger am Bass und Achim Färber an der hoch stehenden Schießbude, gepaart mit einer fantastischen Lightshow sind ihr Markenzeichen. Dem Publikum wurden, dem Hörensagen nach, 10 bis 12 Kuschelbären zugeworfen, von denen zumindest die Hälfte weiterhin in der ersten Reihe verblieb und so noch den Rest des Festivals mit den jweiligen, natürlich weiblichen Fängern genießen konnte.

Mit dem heutigen Headliner ACCEPT und wieder einer Spielzeit von 90 Minuten, also wie bei Running Wild, steht die Sperrspitze des Deutschen Heavy Metal auf der Bühne. Udo Dirkschneider, Wolf Hoffmann und Peter Baltes gründeten die Band bereits 1976. Seit 2009 ist Marc Tornillo an den Vocals und debütierte auf dem wahrscheinlich besten Album der „nach-Udo-Ära“, nämlich „Blood of the Nations“ in 2010. „Stalingrad“, „Blind Rage“, „The Rise of Chaos“ und das aktuelle „Too Mean to Die“ reihen sich nahtlos an den Klassiker an. In der Setlist sind aber viel mehr alte Klassiker, wie „Princess of the Dawn“, „Breaker“, „Restless and Wild” , “Demon’s Night / Starlight / Losers and Winners / Flash Rockin‘ Man” oder „Fast as a Shark“ und natürlich „Metal Heart” vertreten.

Die Schweizer ELUVEITIE stellen in ihren die Songs einen Mix aus eigentlich vielen Stilrichtungen dar, die da wären Folk, Pagan, Mittelalter und auch ein bisschen Thrash. Auf dem Rockharz 2022 machen sie den Abschluss und, wer hätte es gedacht, beenden das Festival mit einer spektakulären Feuershow, die man eigentlich von Powerwolf erwartet hatte. Hier vermies der Wind das flammende Inferno, was nun bei den Schweizern ausgiebig nachgeholt wurde. Nahezu jeder zweite Songs war mit Steams, Funkenregen oder Feuerstößen geprägt und dazu wurde über der Bühne eine riesige Lichtanlage installiert. Der gesamte orchestrale Bereich hält sich wesentlich im Background auf, leider auch Fabienne Erne an der Harfe, der Vordergrund ist einzig dem Growler und Kopf Christian – Chrigel – Glanzmann vorbehalten. Michalina Malisz – die vor sechs Jahren Anna Murphy an der Drehleier (Hurdy Gurdy) ersetzte, hat heute ihren letzten Auftritt, was dem Gig einen hoch emotionalen Beiwert mitgibt.

Ich kann mich nur zu den Vorjahren wiederholen. Trotz inzwischen zahlreich besuchter Festivals, die Einzigartigkeit dieses Open Airs im Harz bleibt bestehen. Nirgendwo kann man mehr Bands sehen, genießen und das in wirklich familiärer und lockerer Atmosphäre. Als Liebhaber des klassischen Rocksounds, des Pagan- und des typischen Heavy Metal bin ich mal wieder voll auf meine Kosten gekommen. Meine Highlights für das Rockharz 2022 heißen Kambrium, die überraschenden Attic, ganz klar Lucifer, natürlich Moonsorrow – endlich mal im Hellen, sicher auch Gernotshagen, Finntroll, und Ensiferum, von den Thrashern Testament und Evil Invaders und natürlich Jinjer als definitiv beste Femal Fronted Band. Die Shows von Running Wild, Powerwolf und Accept waren von der Songauswahl absolut überzeugend, auch wenn die Shows teils im Wind (Powerwolf) und bei viel zu viel Licht (Accept) oder viel zu wenig Licht (Running Wild) fotografisch schwer festzuhalten waren. Die beste Feuershow gab es bei Eluveitie und hier wohl die emotionalsten Momente.

Der Run auf die Frühbuchertickets ist bereits in vollem Gange, während für das nächste Jahr bereits PARADISE LOST, HÄMATOM, DESTRUCTION mit einer Special-Show zum 40jährigen Bandbestehen, LACUNA COIL, LORD OF THE LOST, DIE APOKALYPTISCHEN REITER, EQUILIBRIUM, SKALD, LETZTE INSTANZ und FIRKIN bestätigt sind. Unter https://www.rockharz-festival.com/ erfahrt ihr, wie gewohnt, alle Neuigkeiten rund um das Festival.

Abschließend bleibt mir eigentlich nur noch zu sagen: „ROCKHARZ – Vielen Dank für diese tollen Tage und bis zum nächsten Jahr“.

Berichterstattung / PhotoCredits: Andreas Gey / Kommodore Johnsen

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