BOOTSHAFENSOMMER 2024 – Das Kieler Festival – Live, umsonst und draussen (19.07.– 25.08.2024)
Das war er nun, der 16. Bootshafensommer vom 19. Juli – 25. August 2024 im Herzen der Kieler Innenstadt. An sechs Wochenenden konnten sich die Gäste immer Freitag und Samstag zwischen 15:00 und 22:00 Uhr auf vielfältige Live-Musik sowie verschiedene Thementage freuen. Neben regionalen Bands, die vom Musico e.V. eingeladen wurden, fanden auch überregionale Bands aus ganz Schleswig-Holstein und Hamburg den Weg an die Förde. Unter der Schirmherrschaft von Kiel Marketing gab es wieder viele musikalische Highlights aber auch vielfältige Aktivitäten rund um die schwimmende Bühne. Eine vielfältige Gastronomie und freier Eintritt machten das Festival zu einem Event für die ganze Familie.
Die Eröffnung am Freitag den 19.07.2024 machte zwar ein Shanty Chor, aber dann übernahmen moderne und vielfältige Klänge das Zepter. Mit Fio aus Kiel sowie Johannes Kieper aus Hamburg starteten zwei Singer-/Songwriter das Nachmittagsprogramm. Das Abendprogramm gestalteten die Riders Connection (Reggae) sowie Tanga Elektra (Neo Pop/New Soul). Die Berliner von der Riders Connection in die Reggae-Schublade zu stecken ist eigentlich nicht richtig. Tanzbare Beat-Box-Sounds mit Ska, Reggae und Liedermacher-Sounds werden zu einem eigenen Stil verbunden. Auch Tanga Electra stammen aus Berlin und runden den Abend ab. Das minimalistische Streetduo begeistert hauptsächlich mit improvisierten Dancetracks und ihrer Instrumentenvielzahl.
Am darauffolgenden Samstag eröffnete Daniel Hoppenstedt den Tag. Der Kieler Singer-/Songwriter ist schon als Stammgast zu bezeichnen. Mit authentischen Progressive Pop, der mich überrascht hat, ging es weiter. Die ebenfalls aus Kiel stammende Band Hey Julis hinterließ eine nachhaltige Visitenkarte. Schon zur Kieler Woche begeisterten Liza und Schleicher. Das Duo aus Kiel und Dublin reisst das Publikum komplettmit. Ihr Repertoire ist irgendwo zwischen Pop, Alternative und Indie einzusortieren. Auch die nächste Kieler Band Niemals ist hier einzusortieren, auch wenn ihre Songs gefühlvoller und einfühlsamer sind. Für das junge neue Quartett war es erst einer der ersten Auftritte überhaupt.
Dann wurde es voll am Bootshafen. Die ursprünglich aus Toronto stammenden Kobo Town spielen einen von Calypso und Ska inspirierten Roots Rock-Sound.
Das zweite Wochenende gehört am Freitag (26.07.) erst einmal dem Musico e.V.. Dessen geförderte Künstler können sich heute präsentieren. Den Anfang macht um 15 Uhr die Singer-/Songwriterin Jane Doe. Die Kielerin Gitarristin spielt eigene Songs mit einem Stil zwischen Indie und Pop. Danach wird es rockig. Monocaro sind vom Stil her ähnlich, bringen aber natürlich eine ganz andere Performance auf die Bühne. Auch sie spielen Indie Pop/Rock und kommen natürlich aus Kiel, aber auch Hamburg.
Dann wird es düster und lauter. Alleviated (Gothic/Alternative Metal), ebenfalls eine Band aus Kiel und Hamburg bewerben sich mit „Musik für Menschen, die sich zwischen Riffs und Melodien nicht entscheiden wollen. Mit zwei Sängerinnen, Geige und Klavier, Löchern in den Chucks, irgendwo zwischen Melancholie, Alles-kaputt-schlagen und auf dem Rückweg Pommes holen.“ nicht ganz ernst, aber im Grunde genommen trifft die Beschreibung zu. Sie spielen einen Metal zwischen Mainstream und Experiment.
Dann wird es richtig voll am Bootshafen, denn die Kieler Urgesteine Wolf Barsch mit ihrem maritimen Rock stehen auf der Bühne. Konzerte über zwei Stunden sind bei ihnen keine Seltenheit, heute müssen sie sich auf 75 Minuten begrenzen. Natürlich fordern die Besucher Zugaben, aber der Timeslot ist vorgegeben.
Zum Abschluss des Abends sollen ja noch Damn! Escape auf die Bühne. Sie beschreiben ihren Stil als Energetic Kickass-Rock und liegen damit ziemlich nahe an der Einschätzung der meisten Gäste.
Musikalisch ist der Samstag (27.07.) zwar auch, aber hier geht es anders zur Sache. Ein Dreierpack an Salsa-Flashmob lädt nachmittags zum Mitmachen ein, ein Doppelpack an Konzerten folgt dann erst am Abend. Mit Las Pachamama kommt eine Kieler Latin-Cumbia-Band zum Zuge und den Abend beschließt Mojia mit Band. „Musik von Afrobeats bis RnB, Soul, Uk Garage und Pop“ so seine eigene Beschreibung.
Das dritte Wochenende startet wieder mit einem Knallertag. Am Freitag 02.08.2024 startet der über die Grenzen hinaus bekannte Singer-/Songwriter Brendan Lewes. Er wird abgelöst von Insomniac Territory, einer jungen Kieler Band, deren Spielart sich zwischen Grunge, Alternative Rock, Punk und Acoustic Rock bewegt. Einfacher Alternative/Independent Rock kommt danach von Baltic Volt aus Lübeck, bevor die mit Newcomerpreisen dekorierte Band Grell aus Neumünster auf der Bühne steht. Alternative Rock bis Poprock würde ich ihren Auftritt kategorisieren, obwohl das nicht einfach ist. Den Fans war es egal, die Tribüne am Bootshafen platzte aus allen Nähten. Da haben es dann Tilt! danach richtig schwer. Die Goslarer promoten nicht nur ihr Debütalbum „TILT!“, machen mit ihrem Alternative Rock auch richtig Dampf. Ihre brandneue EP „Lit Up“ hatten sie nicht im Gepäck, empfahlen sich aber für ihren Supportauftritt bei The BossHoss in Bad Harzburg am Folgetag.
Der Samstag (03.08) beginnt wieder mit einem Thementag. Ab 15 Uhr fand das Sommerfest der Kieler Auslandsvereine (kurz AKA) mit kulinarischen Spezialitäten sowie landestypischem Tanz und Gesang statt. Mit von der Partie waren Vereinigungen aus China, Japan, Ukraine, Großbritannien, Philippinen, Ghana, Polen, Schweden und Nigeria. Die beiden Bands des Abends waren die Kieler Rapper Lil6xt und Son Sonero. Die Latin/Salsa-Band spielt einen Mix aus Salsa, Salsaton, Merengue, Bachata und Cumbia. Mit vollen Rängen und jeder Menge tanzwütiger Gäste geht ein vielfältiges Wochenende zu Ende.
Das vierte Wochenende beginnt am Freitag (09.08.) mit einem Programm, das zur Kieler Woche mit „Gewaltig leise“ tituliert wird, aber alles andere als leise ist. Viermal Akustic Rock zeigt, wie viele Facetten selbst in diesem Genre stecken und wie vielfältig die Musik sein kann. Den Beginn macht Katerfrühstück. Das Kieler Trio um den Ex-„Das Beben“ Gitarristen Overbill Översen zeigt dem verhaltenen Publikum schon einmal, wie sich klassische Rockhits anhören können.
Die Neumünsteraner Lassmasomachen hingegen bringen eigene Songs mit.
Moderator Maschine Nitrox tauscht nach der nächsten Ansage sein blaues Crew-Shirt gegen zivile Kleidung, denn nun sitzt er bei dem Kieler Trio Acoustic Guerillas am Schlagwerk.
Das Schwetzinger Duo Mit ohne Strom nennt ihre Genre-Kreation am liebsten „Heavy-Unplugged“, damit auch von Anfang an klar ist, dass es deutlich lauter wird als man es von einem Akustik-Duo erwartet. Es wird heftig durch die Metal- und Rockgeschichte gecovert, jeder Klassiker bekommt hierbei allerdings einen ganz eigenen, neuen Sound.
Damit die Vielfalt gewahrt bleibt, bilden DenManTau den Abschluss. Das Hamburger Quintett bietet mit ihrem eigenen Indie-Pop-Rock eine besondere Qualität ab. Dies wird durch ihren übervollen Tourkalender von der Ostsee bis zum Bodensee deutlich.
Der Samstag (10.08.) ist nicht minder interessant. Der Neumünsteraner Lennon von Seht covert nicht nur bekannte Liedermacher, holt sich dort auch die Inspiration für seine eigenen Songs. Heraus kommen dabei auch plattdeutsche Lieder. Danach steht das Kieler Folktrio They Love Me or Die auf der Bühne. Banjo und Mundharmonika bringen Abwechselung auf die Bühne. Lisa Strat kommt aus Salzgitter und ist eine Solokünstlerin. Ihre energiegeladene Performance mit ihren Loopstations ersetzt eine komplette Band. Indie gibt es dann vom Hamburger Künstler Let’s drink lemonade. Erst im Februar feierte er das Release seiner Debüt-EP „Dunkelblau“. Great Gable beschließen dann das Wochenende. Die Australier versprühen ein wenig internationales Flair auf dem eigentlich regionalen Festival. Mit einer Mischung aus New Yorker Rock der frühen 2000er und UK-beeinflusstem Indie haben Great Gable einen Sound geschaffen, der einzigartig ist.
Als musikinteressierter Kieler kann man gar nicht anders, als sich an diesem fünften Wochenende wieder zum Bootshafen zu bewegen. Nach ihrem begeisternden Auftritt im letzten Jahr steht die Singer-/Songwriterin Evely auch in diesem Jahr auf der Bühne. Gut besucht ist es dann schon bei der Kieler Alternative Pop/Rock-Band Colour Gray. Auch sie haben sich auf der Kieler Woche und hier am Bootshafen schon einen Namen gemacht. Es folgt das Rapduo Mob & Djo. Französischen Hip-Hop muss man mögen. Das Programm passt irgendwie nicht in das heutige LineUp, denn mit So Long Ivy aus Hamburg (Glam Folk Punk) und den Kielern von Plastic Skanksters (Ska) stehen noch andere Kaliber auf der Bühne. Bei dem einzigen diesjährigen Konzert in ihrer Heimatstadt ist es bei den Skansters rappelvoll.
Man sehe es mir nach, an meinem Geburtstag (17.08.) verzichte ich auf den Bootshafenbesuch. Auch das Programm ist heute nicht unbedingt meines. Den Start macht ein Shanty Chor, gefolgt von dem Mitmach-Chor Bunte Farben. Hier können Coversongs mitgesungen werden. Erst dann steht wieder ein internationaler Künstler auf der schwimmenden Bühne. JPson bringt Fresh Folk aus Südafrika zu Gehör. Für die heutigen rockigen Klänge sorgt die Kieler Indie-Pop-Rock Band Myde bevor mit Felipe Baldomir ein Küsten-Indie-Folk-Sänger aus Südamerika das Wochenende beschließt.
Das sechste Wochenende steht im Fokus des INKA.E.V. Es ist ein Benefizwochenende zu Gunsten der Kieler Initiative gegen Kinderarmut. Comfort & Company eröffnen mit Rock/Pop den Freitag (23.08.). War es längere Zeit ruhig um die fünf Kieler, wollen sie wieder verstärkt durchstarten. Grooviger Soul, Pop, Funk und Jazz zu einem eigenen Stil vermischen Harbour Voilet aus Hamburg. Sie sind die einzigen Nicht-Kieler am heutigen Tag.
Nun wird es etwas lauter am Bootshafen. Mit den Ocean Criminals steht zuerst eine Pop-Punk Truppe auf der Bühne, die seit sechs Jahren sich eine eingeschworene Fangemeinde erspielt hat. Mit AK wird dann die „Äußerste Kraft“ in punkto Hard Rock zelebriert. Den Abriss des Abends jedoch liefern wie nahezu in jedem Jahr Das Beben ab. Die einen sagen Hard Rock, die anderen Punk. Begeistern tun sie auf jedem Fall. Auch hier muss Moderator Maschine Nitrox wieder das blaue Moderatorenshirt ausziehen, denn er ist hier der ungezähmte Frontmann der Band. Einen Personalwechsel vollziehen die vier direkt auf der Bühne. Arne „Razz Bazz“ übergibt nach zehn Jahren den Bass wieder an seinen Vorgänger Mad Jazz Morales zurück.
Den Start in den Samstag (24.08.) bestreiten die Kieler von Comiedmen. Die Kontextband spielt Musik zur Komödie des täglichen Lebens. Lucie Glang vereint als Singer-/Songwriterin Americana mit Folkmelodien und würzt die Songs mit ausdruckstarken Lyrics. La grande final: Die letzte Band des Bootshafensommers verabschiedet gleich zwei Mitglieder in den Ruhestand. Mojo Riot begeistert den Bootshafen mit ihrem Poprock und legen ein furioses Abschiedskonzert hin. Wir hoffen das die Fünfköpfige Kieler Band weiter macht und wünschen uns alsbald die Verkündung positiver Nachrichten. Den ultimativen Abriss bringen dann Liebe Leudde. Die Liveband von der Reeperbahn aus Hamburg bringt Coversongs zum Mitsingen in einem doppelten Slot zum Besten. Faktisch Party bis zum Abwinken. Die Reste der Bühne werden allerdings auch noch am Sonntag (25.08.) gebraucht. An diesem letzten Tag des Festivals findet traditionell das Entenrennen statt.
Fazit:
12 ½ Festivaltage – Live umsonst und draußen. Biergarten, Food Courts und musikalische Highlights mitten in der Kieler Innenstadt. Einen Steinwurf von den Fähren und Kreuzfahrern entfernt, sorgen regionale, überregionale und sogar internationale Größen für die musikalische Unterhaltung. Mehr geht auch in der Vielzahl der Stilrichtungen gar nicht. Von Shanty bis Metal ist für nahezu jeden Geschmack etwas dabei. Rund 750 Gäste fasst die Tribüne, die durch etliche Stehplätze noch bis zu 1000 interessierten Platz bietet. Rund 1000 Bands bewerben sich Jahr für Jahr nicht ohne Grund um einen Slot auf der schwimmenden Bühne. Das Bootshafenfestival ist und bleibt ein fester Bestandteil in meinem sommerlichen Terminkalender!
Berichterstattung / PhotoCredits: Norbert Czybulka